http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0518
508 Psychische Studien, XXVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1901.)
ungewohnten Stunde an der Wohnungstliiir Pr. geklopft.
„Wer ist da?" — fragte Pr. ziemlich unwirschen Tones.
„Ich bin's, der Hausbesorger" — war die Antwort. „Bitte,
Herr Pr., kleiden Sie sich rasch an und kommen Sie in die
Trafik. Man hat bei uns in der Nacht eingebrochen." Pr.
zog rasch die Kleider an und eilte zu dem Trafikladen,
der sich in demselben Hause, in dem er wohnte, befindet.
Vor dem Lokal fand er bereits einen Polizeiposten. That-
sächiich war bei ihm eingebrochen worden. Es fanden sich
auch Personen, die spät Nachts nach Hause gekommen sind;
sie erzählten, dass ein Mann, dessen Personalbeschreibung
vollkommen auf die Gestalt passte, die Pr. im Traume
gesehen hatte, sich in verdächtiger Weise vor der Trafik
zu schaffen gemacht hatte. Pr. ging zur Polizei und erzählte
den Traum. Anfangs belächelte man die Sache; später jedoch,
als Pr. eine genaue Beschreibung des Mannes gab, dessen
Gesicht er im Traume gesehen hatte, nahm man die Sache
ernst; er lieferte nämlich das Signalement eines polizeibekannten
Professionseinbrechers, welchen Pr. auch unter
den Photographien des Verbrecheralbums sofort herausfand.
Die Polizei verfolgt jetzt eifrig diese Spur. — Da der Vorfall
einen trefflichen Beleg zur Vervollständigung unserer
Casuistik der Wahrträume bilden kann, eine solche Notiz
aber ohne genaue, nach dem Muster des Journal of the
Society for Psychical Research" gemachte Nachprüfung in
einer ernsten wissenschaftlichen Untersuchung unverwendbar
wäre, hat der Unterzeichnete es versucht, die objektive Bestätigung
der Schilderung hinsichtlich ihrer Thatsächlichkeit
durch Herrn Pr. selbst zu erlangen und wird nicht verfehlen,
sie in einer späteren Nummer nachzutragen. Es würde sich
dann diese spontane Beobachtung denjenigen beiordnen
lassen, welche ich im U6. Jahrg. S. 2 mitgetheilt und glossirt
habe. München, 6./III. 1901. Dr. Falk Schupp.
e) Träume als Krankheitsvorboten. Der
französische Arzt Maury führt in seinem Buch „Der Schlaf
und die Träume" eine Reihe von Fällen an, in denen die
Träume mit der Erregung eines Organs unmittelbar zusammenhängen
. Maury Hess sich z. B. im Schlaf die Nase
kitzeln und träumte, dass er einer furchtbaren Todesstrafe
ausgesetzt wäre; er Hess sich im Schlaf Eau de Cologne
unter die Nase nalten und träumte, dass er sich in einem
Parfüm-Geschäft befände; er Hess sich in den Nacken kneifen,
und sein Traum war, dass ihm ein Pflaster aufgelegt würde.
Ein heisses Eisen, das man seinem Gesicht nahe brachte,
hatte die Polge, dass er von Heizern träumte, die in die
Häuser eindrangen und den Bewohnern Kohlenbecken unter
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0518