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542 Phobische Studien. XXVIII. Jahrg. 9. Heft. (September 190L)
Aus dem erwähnten Bericht in Nr, 10 der „Spir.
Rundschau" tragen wir nach, dass die Sachlage, wie sie
Prof. Sellin in Paris vorfand, nach seinen eigenen Worten
viel weniger befriedigend war, als er gehofft hatte. „Wegen
Meinungsdifferenzen über einzelne Punkte in den von Herrn
Jentsch angefertigten Sitzungsprotokollen waren die Sitzungen
bereits eingestellt oder mindestens vertagt. Ueber die
Gründe des Abbruchs der Sitzungen mich hier zu äussern,
kann nicht meine Aufgabe sein." (Eben diese Gründe zu
erfahren wäre aber besonders werthvoll 1 — Red.) Als sehr
interessante, bisher noch nicht beobachtete Thatsache wird
erwähnt, dass Frau Rothe vor und nach der Sitzung gewogen
wurde, wobei sich herausteilte, dass die Gewichts-
differenz ziemlich genau dem Gewicht der
geschehenen Apporte entsprach. Ein Mann
von der wissenschaftlichen Besonnenheit eines Richet hielt
sich selbstredend nicht für berechtigt, aus dieser vereinzelten
Thatsache, trotz dem naheliegenden Schein eines Verdachts,
einen Schluss gegen die Ehrlichkeit des Mediums zu ziehen und
Prof. Sellin bedauert um so mehr, dass ihm zur Fortsetzung
seiner Beobachtungen die Gelegenheit vor der Hand
nicht gegeben wurde, weil bereits das Medium durch Schuld
anderer zu ernsten Sitzungen unbrauchbar gemacht war.
Einen bedenklichen Zwischenfall berichtet derselbe aus einer
am Tage seiner Ankunft in Paris in einer „Mischsitzung44
bei einer russischen Familie. Die ersten Apporte hatten
sich dort mit der bekannten Schwierigkeit eingestellt,
welche ein fast sicheres Anzeichen von der Anwesenheit
antagonistischer Elemente ist. Hinter dem Rücken der
gleichfalls anwesenden Fürstin Karadja hatte das Medium
zuerst eine für die Fürstin Gortschakoff bestimmte grosse
blühende Hortensie hervorgeholt; andere Blumenapporte
folgten, zuletzt eine Menge Blumen, welche in reicher Fülle
über dem Tische in ihren ausgestreckten Händen
erschienen. In diesem Augenblicke sprang ein Herr
dem man nur widerwillig Zutritt in dem Kreise gestattet
hatte, mit der leidenschaftlich ausgestossenen Behauptung
auf, er habe trotz seines hierzu völlig ungeeigneten Platzes
gesehen, wie Frau Rothe die Blumen unter
ihrem Kleide hervorgeholt habe, sie müsse
verborgene Taschen in demselben haben.
Niemand ausser ihm hatte etwas davon wahrgenommen.
Hierüber entstand ein nicht zu beschreibender Auftritt.
Als dieser unwillkommene Gast auf Frau Rothe, die sich
weinend von ihrem Sitze erhoben hatte, zusprang und an
ihren Kleidern zupfte, forderte ihn Prof. Sellin, der neben
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