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Duboc: Die Lust als socialethisches Entwicklungsprincip. 551
Lebensgarten so gut zu verwalten und schön zu
schmücken wie möglich, und dann so spät als möglich
und 1 e i c h t als möglich zu sterben. Darüber hinaus reicht
es aber nicht, und fragen Sie sich, welches denn effectiv
das Glaubensbekenntnis«, die praktische Moral, der Angelpunkt
des gesammten Thuns Ihrer Umgebung ist, so
werden Sie in 90 von 100 Fällen finden, dass ihr Thun
und Lassen sich immer wesentlich um diese Punkte dreht.
Wie ein Jeder seinen Lebensbereich verwaltet, wie gut
oder schlecht, wie rechtschaffen oder spitzbübisch u. s. w.,
das hängt natürlich von seinen Charaktereigenschaften ab.
Ein grösseres oder geringeres Maass von Moral ist durch
diese Foiinel weder ein- noch ausgeschlossen. Sie passt
eben für Alle.
Es giebt nun Menschen — wie viele, weiss ich nicht,
jedenfalls gehöre ich zu ihnen —, welche die Vorstellung,
dass es so mit dem Weltwesen bestellt sei, sehr belastend
und schwer erträglich finden, welche davon loszukommen
wünschen, ohne zu wissen wie, da sie weder in den kirchlichen
Glaubenslehren, noch im Occultismus einen hinreichend
sicheren Boden zu finden glauben. Diesen bietet sich ein
Ausweg; wenn sie in der sehr bestrittenen und ganz entgegengesetzt
beantworteten Frage, ob in der Menschheitsentwickelung
eine Aufwärtsbewegung sich vollzieht, den
Nachweis, dass dem in der That so ist, zu führen versuchen
, um daraus folgern zu dürfen — das ist die Hauptsache
—, dass in dem Weltwesen doch noch etwas anderes
und zwar mit der Richtung auf Erhöhung vor sich geht,
als bloss Entstehen, Werden und Vergehen. Diese Folgerung
scheint mir gestattet und durchaus bündig zu sein. Denn
wenn unter tausenden von sich durchkreuzenden, einem
steten Wechsel unterliegenden Aenderungen eine Aenderung
constant bleibt und wechsellos sich vollzieht, so lässt sich
darauf die Behauptung gründen, dass in dieser Constanten —
in diesem Fall also in der sittlichen Erhebung — eine
Grundthatsache gegeben und enthalten ist Sie wird
damit für die Specuiation zu dem eigentlich ausschlaggebenden
Punkt.
Ich habe dem Nachweis, um den es sich hier handelt,
den grössten Theil meiner Bücher gewidmet aus dem guten
Grund, weil ich mir nicht anders genugthun konnte, da
die Frage von dem sittlichen Fortschritt der Menschheit
in der That äusserst bestreitbar und äusserst schwer auf
eine runde Formel zu bringen ist. Ob mir mein Versuch
einigermassen gelungen ist, muss ich dahingestellt sein
lassen. Selbstverständlich kann es nicht meine Absicht sein,
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