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Duboc: Die Lust als socialetbisches Entwicklungsprincip. 553
gilt oder wenigstens einen Anhalt dafür gewährt, dass wir
den Weltvorgang mit der Annahme eines fortgesetzten Entstehens
, Werdens und Vergehens als Hauptsache nicht erschöpfen
, dass wir unsere Blicke darüber hinaus zu richten
haben. Wohin? Niemand vermag es zu sagen. Aber auch
Fichte wusste es nicht als er den Ausspruch that: „Das
Universum ist mir nicht mehr jener in sich selbst zurücklaufende
Zirkel, jenes unaufhörlich sich wiederholende Spiel;
es ist vor meinem Blick vergeistigt und trägt das eigne
Gepräge des Geistes: stetes Fortschreiten zum Vollkommnen
in einer geraden Linie, die in die Unendlichkeit gehta (An-
weisg. z. sei. Leben); — und doch fand er in der überzeugten
Annahme einer solchen Höhenrichtung eine Erhebung.
Man kann von diesen Dingen schwer zu Anderen
sprechen, ohne dass diese sofort die Meinung hineinlegen,
• man sei ein überzeugter Anhänger der persönlichen Unsterblichkeit
und es handle sich eigentlich nur um diese.
Denn für die Meisten ist das doch einmal das nächstliegende
Selbstinteresse, und streicht man ihnen dieses, so fehlt
ihnen für alles üebrige, was über die Diesseitigkeit hinausreicht
, überhaupt jegliches Interesse. Bei mir würde das
nun ein gänzlicher Fehlschluss sein. Ich habe mich längst
gewöhnt, an dieser Stelle das denkbar grösste Fragezeichen
aufzurichten. Die Beschaffenheit des Menschenmaterials,
die Abnützung und gänzliche Entwerthung der geistigen
Kräfte im Alter, die widerspruchsvollen und unsicheren
Vorgänge im Spiritismus zwingen uns meines Erachtens
dazu. Geht hinter dem Vorhang, d. h. wenn derselbe über
das Leben des Einzelnen einmal gefallen ist, in Bezug auf
das Individuum überhaupt noch irgend etwas vor sich, so
wird es — scheint mir — sich mit dem, was wir uns als
persönliche Fortdauer mit Ich-Bewusstsein vorstellen, wohl
nur sehr wenig, wahrscheinlich gar nicht decken. Menschenwitz
reicht da eben nicht aus *)
*) Obschon wir uns der scheinbaren Triftigkeit obiger geistvoller
Ausführangen keineswegs verschliessen, scheint uns doch der
Standpunkt des verehrten Herrn Verf. in dieser uralten Streitfrage
»ach den schon jetzt vorliegenden Ergebnissen der das übersinnliche
(rebiet betreffenden Forschung scharfsinniger und zugleich sachkundiger
Denker, wie in erster Linie äff Prei es war, weder a priori,
noch a posteriori mehr haltbar zu sein. Denn während allerdings
in der tfeuerbac/i-Slrauss-Ferio&e die Sachlage die war, dass die vom
Kirchenglauben postulirte, aber, wie es schien, lediglich in unserem,
den giössten Täuschungen unterworfenen subjektiven Gefühl begründete
Hoffnung auf Unsterblichkeit mit Erhaltung des einmal
gewonnenen persönlichen Bewusstseins in den Kesultaten der experimentell
prüfenden Naturwissenschaften keine Bestätigung fand
und es daher (wie auch Unterzeichneter noch in seiner 1876 er-
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