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Die neuesten Fortschritte auf dem Gebiete der Funkentelegraphie. 567
Nachweis der sich wellenartig ausbreitenden elektrischen
Strahlung als Ursache und Mittel der Fernwirkung, um
Induktionsströme in entfernten Leitern hervorzurufen, hinzugebracht
hat. Es ist daher zum Verständniss dessen,
welche Leistungen wir von der Funkentelegraphie zu erwarten
haben, wichtig, sich das Wesentliche der Gesetze
der elektrischen Induktion zu vergegenwärtigen. Bekannt
ist, dass der erste Nachweis der praktischen Verwerthbar-
keit jener elektrischen Wellen durch zwei parallel gespannte
Drähte geführt wurde, in deren einem, dem Primärdraht,
man einen elektrischen Strom erzeugte, welcher bei seinem
Entstehen oder bei irgend welcher Aenderung seiner Stärke
oder Richtung in dem zweiten, dem sekundären Draht,
einen Induktionsstrom hervorrief. Ist es ein Wechselstrom,
welcher den Primärdraht durchfliesst, so wird folglich ein
Wechselstrom gleicher Frequenz im sekundären Draht entstehen
. Dafür kennen wir nun folgende Gesetze: Die Induktion
ist um so grösser, je länger die Drähte sind, und
zwar wächst sie im Quadrat der Längen; sie ist ferner um
so grösser, je zahlreicher die elektrischen Stromstösse, also
je grösser die Frequenz ist. Sie nimmt ab im einfachen
Verhältniss der Entfernung der Drähte von einander (nicht
im Quadrat der Entfernung) und ist in der Menge der erzeugten
Elektrizität einfach proportional der Zeit. Diese
würde in den bescheidensten Anfängen stecken geblieben
sein, besässen wir nicht die Mittel, Wechselströme von ungeheurer
Frequenz herzustellen, die im Vergleich zu den
früher möglichen, einige 100 Wechsel in der Sekunde
liefernden, Wechselströme von vielen Millionen Schwingungen
in der Sekunde erzeugen. Diese auf den Eigenschaften des
überspringenden Funkens, nicht einen einmaligen Ausgleich,
sondern, dem Loslassen einer angespannten Feder gleich,
eine unendliche Zahl kleiner elastischer Wellen zu erzeugen,
beruhende Wechselstromquelle rechtfertigt somit die Benennung
„Funkentelegraphie". —
Es schlössen sich an diese Darlegungen eine grosse
Zahl von Versuchen im verdunkelten Saal an, über den
hinweg je zwei Drähte quer und lang gespannt waren, um
daran die Erscheinungen zu erläutern. Je einer der Drähte
stand als Primärdraht mit einem Induktorium zur Erzeugung
hoch gespannter Wechselströme in Verbindung.
Gezeigt wurde u. a., wie die Entladung so hoch gespannter
Elektrizität thatsächlich in StromstÖssen erfolgt; denn eine
daraus gespeiste Geisslerfsehe Bohre, die dem Auge als eine
zusammenhängende Lichtlinie erscheint, sieht man in einem
schnell drehenden spiegelnden Würfel als gebrochene Linie.
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