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Kurze Notizen
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vergessen hätte, denn so etwas sei mir noch niemals pas-
sirt. — Kaum eine Viertelstunde nach diesem, wie es zuerst
schien, völlig gleichgiltigen Gespräch, ertönte die
Flurklingel, der Briefträger brachte die letzte Post und
darunter war zu unser aller nicht geringem Erstaunen die
bewusste Ansichtskarte von der Praueninsel an meine
Tochter A.f indem die findige Post aus der anderen, von
mir zugleich dort geschriebenen Karte, der ich den Namen
des Absenders beigefügt hatte, meine hiesige Adresse er-
mittelt und mir jene Karte als unbestellbar zurückgestellt
hatte. Ich hatte also in der Eile thatsächlich übersehen,
dass die Vorderseite noch nicht ganz ausgefüllt war! Ich
bemerke noch, dass von einem schlechten Spass, den etwa
Herr P . . . sich gemacht hätte, keine Rede sein kann, da
er mit seinem Wort versicherte, er würde die Karte, wenn
er wirklich das Pehlen des Wohnorts bemerkt hätte, sicher
nicht in den Briefkasten geworfen haben. Es bleibt also, wie
mir scheint, nur die mir ziemlich wahrscheinliche Annahme
übrig, dass er bei der Inempfangnahme doch unwillkürlich
einen flüchtigen Blick darauf geworfen hatte, ohne
dass jedoch der Fehler dabei zur bewussten Wahrnehmung
gelangte, nachher aber das davon in seiner Erinnerung ihm
unbewusst zurückgebliebene Bild den sonderbaren
Traum veranlasste. — Ich glaubte alle Einzelheiten dieses
an sich unbedeutenden Falls deshalb festlegen zu sollen,
weil ich darin immerhin eine gewisse Bestätigung der von
anderer Seite (vergl. auch den Artikel des Herrn Dr.
Mikullii in Abth. I dieses Hefts, 8, 524) angezweifelten
Möglichkeit einer animistischen Deutung analoger
Vorgänge erblicke, wie sie namentlich Professor
Floumoy in seinem bekannten Buch über die erstaunlichen
Leistungen seines Mediums, Frl. Helene Smith in Genf, zur
Erklärung etwaiger dunkler Erinnerungen an früher einmal
gehörte Wörter aus fremden Sprachen oder zufällig gesehene
Urkunden, Handschriften u. dgl. gegeben hat.
Rosenheim, den 4. August 1901. Dr. F. Maier.
c) Pathologische Psychologie. Einen merkwürdigen
Fall von Ekstase, der den Vortheil bot, an der
Salpetriere gründlich studirt werden zu können, führte nach
dem „Echo de Paris" vom 26. Mai er. der Dr. med. und
Professor an der Sorbonne Pierre Janet am 25. Mai dem
internationalen psychischen Institut daselbst in der Person
einer Kranken vor, welche unter dem Namen „Madeleine
fextaiique" bekannt ist. Im Alter von 45 Jahren wurde sie
von Nervenstörungen befallen, die beim Gehen hervortraten:
von diesem Alter an konnte Magdalena nur noch auf den
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