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632 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 10. lieft. (Oktober 1901.)
zu erholen, dem ihr schon länger befreundeten Präsidenten
Sulzer in Zürich vom 9.—14. August er. weitere Sitzungen
gegeben hat, welche im Ganzen den gewöhnliehen Verlauf
nahmen. Bei der 1. Sitzung am 9. August wurde das Medium
von zwei älteren Damen bis auf Hemd und Beinkleid entkleidet
; letztere wurden von denselben so befühlt, dass ein
Verbergen von Blumen etc. „in dem unündbaren Phantasiesack
von Gummi" nach Versicherung der Damen ausgeschlossen
war; trotzdem erfolgten die Apporte „thau frischer"
und unzerknickter Blumen zahlreich und meist über dem
Tisch bei vollem Tageslicht. Die 2. Sitzung am Sonntag
den 11. August bei einem Herrn M. nahm jedoch infolge
der bei den Theilnehmern erzeugten „Aura des Misstrauens"
, einen wenig befriedigenden Verlauf. Ein Herr W., bei dem Frau
Rothe 2 Tage vorher zu Mittag eingeladen war, hatte nämlich
inzwischen einigen derselben erzählt, er habe das Medium
am Tage der 1. Sitzung um 1 Uhr 33 Minuten, zu einer
Zeit, wo Frau Rothe seit */4 Stunde in ihrem Hotelzimmer,
wie ihr Begleiter Herr Jentsch in dem seinigen, geruht haben
wollte, mit einer anscheinend Blumen enthaltenden Papierdüte
in der Hand auf der Strasse 3 Schritte von ihm entfernt
vorübergehen sehen, ohne sie — auffallender Weise —
zu begrüssen oder anzureden. Auch Herr Sellin bekam am
Dienstag Morgen die briefliche Mittheilung, dass die bei
Herrn Sulzer apportirten Blumen in einem sehr versteckt
liegenden Laden gekauft seien und überzeugte sich durch
eigene Nachforschungen, dass die Identität der Apporte
mit den gekauften Blumen nicht zu bezweifeln war, indem
auch die mit Frau Rothe konfrontirte Verkäuferin die nach
ihrer ganzen Persönlichkeit leicht zu identifizirende Frau
kurz nach dem Vorfall wiedererkannte. Prof. Sellin, der
trotzdem „kein Indizium für die schon an sich unwahrscheinliche
Unterbrechung der Mittagsruhe" entdecken konnte und
schon früher „an die Möglichkeit einer Astral Wanderung
gedacht" hatte, sieht sich daher nunmehr zu der Annahme
gezwungen, dass die Blumen vom Doppelgänger des
Mediums gekauft wurden. Bestärkt wurde er in dieser
seiner neuesten Ansicht bei den Vorbereitungen zu der
3. Sitzung, die am 14. August in einem Landhause in
Zollikon stattfand. Er selbst war am 13. in das Hotel
„Falkenstein" übergesiedelt, um die Ueberwachung der Frau
Rothe zu übernehmen, die über Nacht in ihr Zimmer eingeschlossen
wurde. Am folgenden Vormittag gegen 11 Uhr
fiel letztere im Zimmer des Herrn Jentsch, wo Prof. S.
seine Korrespondenzen erledigte, auf dem Rande des Bettes
sitzend plötzlich „in völlige Komastarre, die auf einige
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