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?. Seeland: Ueber das „Wo*1 der Seele
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ständig im Druck vorliegen, beabsichtige ich auf dieses
Thema noch einmal zurückzukommen.
Vorgeführt war auch in der Äöntyen-Ausstellung die
therapeutische Anwendung der X-Strahlen und mit ihnen
erzielte Heilungen von Lupus und anderen Hautausschlägen,
Hamburg, 27. September 3901. Ä. Kniepf.
Ueber das „Wo" der Seele,
Von CJeheimrath Dr. IT. V. Seeland in Werni (Russisch-
Centraiasien.)*)
Einem durch dialektische Formeln nicht irregeführten
Geiste muss es unglaublich erscheinen, dass Jemand die
Behauptung habe aufstellen können, die Seele eines lebendigen
Wesens Weile nicht in dessen Leibe, speciell in seinem
Gehirn. Und doch ist so etwas — und zwar von bedeutenden
Denkern — ausgesprochen worden und hat bei deren Leserkreis
einen gewissen Anklang gefunden. So heisst es bei
Paulsen, „es könne überhaupt von einem „Wo" der Seele
gar keine Rede sein, weil dieselbe, als ein unräumliches
Ding, sich im Räume, in welchem es doch blos Körper und
Bewegungen gebe, nirgends befinden könne; es sei folglich
gleichbedeutend, ob man die Seele ins Gehirn, in den Magen,
oder in den Mond versetze.4* Und Avenarius meint, „man
könne nicht sagen, das Gehirn habe den Gedanken, weil
dies bedeuten würde, das Gehabte sei ein Theil oder eine
Eigenschaft des Ganzen, was hier nicht zutreffe; das Hirn
habe Ganglienzellen, Eibern u. s. w., eine eingehendste
anatomische Untersuchung aber könne nie darthun, dass
das Denken ein Theil oder eine Eigenschaft des Hirns sei,
folglich könne letzteres nicht der Sitz der Seele sein."
In meiner Arbeit über das Wesen des Raumes**) habe
ich auch des heutigen Themas in aller Kürze gedacht; die
dort angekündigte Auffassung soll auch dem Nachfolgenden
zu Grunde liegen.
Für's erste fragt es sich, was sollen wir mit der alltäglichsten
und durch Nichts zum Schweigen zu bringenden
Erfahrung anfangen, welche jener „strengwissenschaftlichen"
Polgerungen spottet? Besagte Erfahrung aber hält uns die
Thatsache vor, dass zwischen dem Leibe eines lebenden und
*) Mit gütiger Erlaubniss des hochverehrten Herrn Verf. entlehnen
wir diese tiefgründende Studie dem „Philos. Jahrbuch* er.
S. 315—319. — Eed.
**) „Philos. Jahrbuch" 1898—99 S. 418ff.; 1899 S. 50ff. (im Auszug
abgedruckt „Psych. Stud," 1699 8. 443, 498, 574 ff.)
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