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Maier: Ueber Spiritismus und Geistesstörung. (579
der Veranlagung auch hierbei die Uebung die grösste
Bolle spielt
Ebenso unzweifelhaft steht uns fest, dass die allzu
häufige oder gar regelmässige Beschäftigung mit solchen
Uebungen in besonderem Masse geeignet ist, Störungen auf
psychischem und nervösem Gebiet, namentlich bei hysterisch
veranlagten Personen herbeizuführen, wovon mir selbst ein
trauriges Beispiel an der Tochter eines Bekannten zur
Verfügung steht, die von dem im Uebermass betriebenen
Psychographiren so angegriffen wurde, dass sie zuletzt nicht
mehr schlafen konnte, weil sie sich bei Nacht an den Haaren
gezogen fühlte, so dass sie auf der Bettdecke automatische
Schriftversuche fortsetzte und schliesslich einer Nervenheilanstalt
übergeben werden musste. —
Eichtig sind auch die dem Ver£ von solchen Patienten
gemachten Angaben über die verschiedenartigen Zustände,
in denen sich das „Schreibmedium" während der Ausübung
der Schrift zu befinden pflegt. Während einige (wie z. B.
auch ein mir persönlich genau bekannter, sich zu der Sache
sehr skeptisch verhaltender Redakteur eines demokratischen
Blattes) in völlig wachem, „lucidemtf Zustand mit erstaunlicher
Geschwindigkeit fortlaufende und inhaltlich werthvolle,
oft fast wie geniale Offenbarungen (durch Intuition) klingende
automatische Schrift' liefern, schreiben andere — ohne vom
Inhalt des Geschriebenen eine Ahnung zu haben, und vielfach
sogar so, dass sie nebenher gleichgiltige Gespräche führen
oder singen, - in einem halbwachen Zustand der Zerstreutheit
oder Ermüdung; noch andere befinden sich im sogenannten
„Trance", d. h. (nach Ansicht des Verf.) es liegt bei ihnen
ein mehr oder weniger ausgesprochener autohypnotischer
Zustand vor. Die meisten vom Verf. explorirten Personen
gaben an, dass ihre Hand „von einer unsichtbaren Macht
bewegt" werde, woraus sich — abgesehen von den ziemlich
seltenen und keiner besonderen Erklärung bedürfenden Fällen,
wo das Phänomen auf einen halluzinatorischen Vorgang
zurückgeführt werden kann, bei mehreren die häufig das
Delirium des Besessenseins auslösende Vorstellung
ergab, unter dem direkten Einfluss eines „Geistes" zu stehen.
In manchen Fällen handelt es sich überhaupt nicht um
eine für Jedermann leserliche Schrift, sondern um schriftartige
Kurven, die von der Versuchsperson nur so lange
sie „entranced" ist, gelesen werden können. Auf die so
ausgiebige Theorie der „unbewussten" oder „unterbe
wussten" Thätigkeit geht Verf. leider wiederum
nicht näher ein; er konstatirt nur, dass eine seiner Patientinnen
(ein am 27. Aprü 1900 in die Irrenabtheilung der Charite
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