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; ß82 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1901.)
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bewiesen worden, dass das Papstthum, d. h. die Kirche, die
schwerste Schuld trifft am Fortbestehen des Hexenwesens
und an den Hexenmorden. Die von der Kirche überwachte
und geleitete Theologie hat den wahnwitzigen Aberglauben
der Hexerei geradezu gezüchtet und zwar in seinen abschreckendsten
, unfläthigsten, tollhäusierischen Formen.
Päpste, Kardinäle, Bischöfe, Priester, Ordensleute haben
sich mit dem grössten Eifer und in ihrer amtlich-kirchlichen
Eigenschaft an diesem fluchwürdigen Werke durch Jahrhunderte
hindurch betheiligt; ihr Einfluss hat die Scheiterhaufen
, auf denen die „Hexen" zu Tausenden verbrannt
wurden, in allen Ländern aufgerichtet, ihr Einfluss hat die
Folterkammern erfüllt mit den Sehmerzensschreien der
Unglücklichen, die dort unter unsagbaren Qualen Selbstbezichtigungen
von sich geben mussten, so greulich, so
unfläthig, so blödsinnig, dass bei ihrem Lesen die Schamröthe
einem aufsteigt und der Verstand stille steht. Das sind
geschichtliche Thatsachen, beweisbar und bewiesen wie die
Thatsachen des 30 jährigen Krieges oder irgend eines anderen
Geschehnisses der Vergangenheit. Und nun kommt die
„Vereinsgabea der „öorm-Gesellsehaft zur Pflege der
Wissenschaft im katholischen Deutschland11 und streicht mit
wenigen Federstrichen diese Wahrheit aus aus Sinn und
Bewusstsein der Katholiken Deutschlands! Denn was dort
geschrieben steht, wird felsenfest geglaubt von unseren
katholischen Volksgenossen. Solche „Wissenschaftspflege14
ist ein Verbrechen! —
Die andere „Vereinsgabe" der W£örre$-Gesellschaft", die
ich als Stichprobe gewählt habe, ist die im Jahre 1900
erschienene Schrift des Jesuiten Duhr: „Die Stellung
der Jesuiten in den deutschen Hexenprozessen."
Die Geschichte lehrt, dass diese „Stellung" verhängnissvoll
für Christenthum und Kultur gewesen ist. Die schlimmsten
Hexenschriften, die wüthendsten Hexenpredigten sind aus
dem Schosse des Jesuitenordens hervorgegangen; sie tragen
sein hochmüthiges Zeichen: S. J. Männer wie die Jesuiten
Canisius, Delrio, Tanner, Laymann, Brexel, Scher er, Sacckini,
Valentia, Mayrhofer, Löper, Contzen, Stengel, Gaar, Reissenberg,
Bellarmin, Suarez, Macherentius u. s. w. gehören mit zu den
thatkräftigsten Beförderern des Hexenwahns; ihre Schriften
und ihre Predigten bind angefüllt mit wüstem Teufelsspuk,
sie hallen wieder von dem Kufe nach Folter und Scheiterhaufen
für die „Hexen". Natürlich kennt Duhr diese Thatsachen
, aber seine Schrift, welche die „Ötfrm-Gesellsehaft"
dem katholischen Deutschland spendet, weiss von ihnen so
gut wie nichts. Sie ist eine mit allen Mitteln der Verdrehung
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