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688 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 11. Heft. (November 1901.)
je länger man sich damit befasse. Nach meiner Meinung
hätte das Räthsel längst gelöst sein können, wenn Herr
Prof. Maier statt meinen Privatbrief über den Pariser
Aufenthalt Frau Rothe1*, welchen ich nicht zur Veröffent-
den Psych. Stud. ein ausführliches Protokoll über eine Rothesitzung bis
jetzt nicht zum Abdruck gelangte. Was seine einleitenden Vorwürfe
gegen den Unterzeichneten betrifft, so verweise ich einfach auf meine
schon im Septemberheft S. 538 ff. in den Fussnoten angeführten
Gründe, die mich zur Veröffentlichung seines doch offenbar für die
Information unserer Leser bestimmten Briefes zwangen, weil die Zeit
zu einer nach Zürich postlagernd zu richtenden Anfrage darüber
schlechterdings nicht mehr reichte. Ebendort (S. 543, 2. 7 ff.
v. u.) habe ich auch ausdrücklich betont, dass ich selbst — soweit
ich aus der Ferne urtheilen könne — vorerst keinen Anlass finde,
an der medialen Begabung der Frau Rothe im allgemeinen zu
zweifeln. Wenn mein eifriges Bestreben, die mir dadurch vorgeschriebene
strenge Neutralität unparteiisch zu wahren, mir jetzt, wie es
ja auch sonst zu gehen pflegt, von beiden Parteien die heftigsten
Angriffe zuzieht, so beruhigt mich dabei das Bewusstsein, der
Gerechtigkeit und damit der Wahrheit zu dienen, die nach
meiner vollen Ueberzeugung nicht anders ergründet werden kann,
als, indem man beide Theile, wie ich dies von Anfang dieses leidigen
Streits an, sowohl Herrn Dr. ßohn als dem {N. B. von diesem
selbst zum „ Schiedsrichter* gemachten) Herrn Prof. Sellin — ersterem
leider vergeblich — angeboten habe, unverkürzt zum Wort kommen
lässt. Die in Heft 8 der Maack'schen ^Xenologic1 vom Herausgeber
im Ueberbrettlton und mit absichtlicher Verdrehung, resp. be-
wusster Unterschlagung der wichtigsten Thatsachenmomente gegebene
Darstellung des Sachverhalts, sowie speziell die dort gegen
meine ihm gar nicht näher bekannte Person publizirte Verunglimpfung
ist mir in der That zu gering, um sie einer eingehenden Antwort
zu würdigen, zumal ich diesem Herrn schon früher — aus
Anlass seines schnöden Vertrauensmissbrauchs — öffentlich erklären
musste, dass ich mein letztes Wort mit ihm gesprochen habe,
weil ich an derartigen, nicht der Sache, sondern lediglich einer boshaften
Streitlust dienenden, rein persönlichen Balgereien keinen Geschmack
finde. Andererseits kann ich aber Herrn Prof. Sellin in
einem wesentlichen Punkt seiner obigen Ausführungen, dass nämlich
eine Untersuchung des Mediums durch befreundete Damen für eine
wissenschaftliche Prüfung denselben Werth haben könnte,
wie eine ärztliche Durchsuchung, umsowenigerbeistimmen,
als auch Herr Eder in Wien, auf dessen Gesammtthatsachen-
bericht sich Herr Sellin in seinem Märzartikel S. 136 beruft, im
neuesten Hefte der „Mittheilungen des wissensch. Vereins für Okkultismus
zu Wien" zu einem (dem meinigen ganz ähnlichen) reser-
virten Standpunkt kommt, weil — wie ja bei nicht sachkundigen,
mit allen physiologischen, mechanischen und sonstigen Möglichkeiten
nicht vertrauten Damen beim besten Willen a priori gar
nicht anders erwartet werden kann — sogar jene Frauen, welche
Frau Rothe seiner Zeit vor den berühmten Dresdener Sitzungen
körperlich aufs gründlichste durchsucht zu haben glaubten, infolge
der ihnen erst jetzt auftauchenden Bedenken in ihrem damals abgegebenen
Urtheil nachträglich schwankend geworden sind, worüber
ich die Zeitschriftenübersicht in diesem Heft zu vergleichen bitte.
Tübingen, 19. Oktober 1901. Dr. F. Maier.
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