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Sellin: Frau Rothe und die Wissenschaft.
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aus: „Hinter Herrn S . . . (Maler) steht ein „Geist", der
eine Staffelei vor sich hat, mit einem Pinsel in der Hand
und thut, als ob er etwas male. Er trägt grauen Vollbart
und hat blaue Augen.44 In die Versuche der Deutung des
Gesehenen mischen sich Klopftöne zur Aufklärung. Das
Medium verfällt wieder in Trance und spricht:
„Droben aus jenen Höhen steigt Einer herab, um euch
hohe, heilige Freude zu bereiten, um eure Herzen in treuer
Liebe an einander zu ketten. Nun, ich sehe von jenen
Bergen ein kleines Gewässer kommen; es murmelt lustig
zwischen Pelsgeröll hindurch, zwischen Gestrüpp, Dornen
und Blättern unaufhaltsam weiter, bis es an jenen grossen
Teich kommt. Da ruft ihm der Teich zu: „Halt, nicht
weiter! Komm, bleib hier, ruhe dich bei mir aus! Sieh,
Gott will es so, du sollst hier ruhen. Ueber mir sehe ich
den blauen Himmel, das Mondlicht spiegelt sich in meinem
Wasser wieder, die Sterne glänzen darin, und die Sonne
erwärmt es." — O gewiss, dieser Teich war da und ist noch
da. Und es standen viele Bäume herum und „manch ein
Wanderer, spricht dieser Teich zum kleinen Bach, der hernieder
kommt, — ruht sich aus unter dem Schatten der
Bäume, und manch einer stärkt seine matten Glieder in
seinem Wasser." Da spricht das Bächlein: „Ich möchte
wohl gern, aber ich kann hier nicht weilen und ruhen!"
Es geht immer weiter und weiter bergab. Immer noch
bricht es sich Bahn durch Felsen hindurch, und endlich
wird es schon so kräftig, dass es Mühlen treibt. Noch
kann es aber nicht ruhen. Es kommt von dieser Seite ein
Bächlein und von jener Seite ein andres hinzu; es wird
immer grösser, wird zum Fluss und treibt Fabriken, und
nach vielen Jnhren, weil von hüben und drüben, wenn auch
spärlich, Zufluss kam, ist es ein grosser See geworden und
trägt Botschaften in ferne Welten hinüber. (Zahlreiche
Klopftöne im Tische während der Pause!) Das also ist
aus diesem kleinen, einst verachteten Bächlein nach vielen
Jahren geworden. Nun blicke ich zurück. Was ist denn
aus jenem grossen Teiche geworden? — Es kam nichts
hinzu; die kleinen Gewässer wendeten sich ab. Der Teich
ist vertrocknet, ja sinkend geworden durch seinen Schlamm.
Der müde Wanderer flieht seine Nähe.
Was meine ich nun mit diesem kleinen Gewässer, das
in vielen Jahren zum unendlichen See geworden ist und
Botschaften hinüber und herüber vermittelt? Der Teich,
der ruhen wollte und den Bach zum Ruhen einlud, ist Eure
Kirche. Jenes kleine Wässerchen aber ist der Strom des
Geistes, die Lehre vom Geist, der Spiritualismus. — Darum,
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