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Lobedan: Eine Geisterbeschwörung am Dresdener Hofe. 717
theilungen durch Medien zu erlangen, die absolut auf keinen
andern Ursprung als auf das alleinige Erinnerungsvermögen
des sich offenbarenden Geistwesens zurückzuführen sind.
Derartige Gelegenheiten sind aber äusserst selten; sie sind
nur unter den günstigsten Bedingungen erhältlich und infolge
dessen betrachte ich dieselben als Kleinodien in der
Kette meiner Erfahrungen auf dem Gebiete des Spiritismus.
Brooklyn-New-York, im Oktober 1901.
Eine Geisterbeschwörung am Dresdener Hofe.
Aus den Briefen Nathaniel W. JVraxalVs.
Zum ersten Male ins Deutsche übersetzt
von Helene Lobedan.*)
Nathaniel W. Wraxall, geboren am 8. April 1751, einer an-
fesehenen Familie entstammend, trat siebzehnjährig in den Dienst
er Ostindischen Kompagnie, den er nach einigen Feldzügen mit
21 Jahren verlie?s, um Eeisen an die nordischen Höfe Europas zu
unternehmen. Durch sein Buch „Reisen um die Ostsee11 versuchte
er, in London litterarische Berühmtheit zu erwerben, in der Hoffnung,
in das Parlament zu kommen. Seine scharfe Verurtheilung der
ersten Theilung Polens in jenem Werk zog ihm das Missfallen
Friedrich'^ des Grossen zu, so dass der König ihn bei seinem Auf ent-
ziehungen zu den braunschweigischen Prinzen, des Königs Neffen,
hatte Wraxall Gelegenheit, ihn zu sehen und authentische Nachrichten
über ihn einzuziehen. U raxatt's Urtheil über Friedrich wird
durch diese Kränkung stark beeinflusst, ist aber um so interessanter,
da er sich immer wieder, namentlich während des bayerischen
Erbfolgekrieges, zur Bewunderung hingerissen fühlt. Die braun-
schweigischen Prinzen ahnten nicht, da^s tVmxall im Jahre 1774
in ein Komplot verwickelt gewesen war, die in Celle in Verbannung
lebende Königin Karoline Mathilde als Vormünderin ihres minderjährigen
Sohnes nach Kopenhagen zurückzuführen, ein Plan, den
der plötzliche Tod der Königin vereitelte. Erst fünf Jahre später
erfüllte Georg III. sein Versprechen, ihm die Auslagen für seine
Eeisen, 1000 Guineen, zu erstatten, und er erhielt einen Sitz im
Parlament. Seine 1799 herausgegebenen „Denkwürdigkeiten von den
Höfen Berlin, Dresden, Warschau und ¥r7ien in den Jahren 1777
bis 1779" in Form von Briefen enthalten noch nichts von diesen
Thatsachen.
Als Nathaniel W. Wraxall im Jahre 1777 die deutschen
Höfe besuchte, war er sehr erstaunt über den namentlich
in der Dresdener und Wiener Gesellschaft herrschenden
Aberglauben, der dem aufgeklärten jungen Engländer sehr
rückständig erschien.
halt in Berlin 1777 nicht empfa
hat. Aber durch gute Be-
*
*) Aus der „Zeitgeist44 (Beiblatt zum „BerL Tagebl.tf) Nr. 29 vom
22. Juli er. Der Fall bietet bedeutendes historisches Interesse. — B, e d.
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