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728 Psyehisohe Studien. XXVIII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 19010
folgen teilweise unentzifferbare kurzschriftliche Zeichen, die
lateinische Worte darstellen sollen; dann lolgtin stenographischer
Schrift weiter der bekannte Ausruf Christi: „Mein Gott,
mein Gott, warum hast Du mich verlassen!" in hebräischer
Sprache: Eli, Eli etc.). Hierauf führt de Fernem weiter
aus: „Merkwürdig, dass ich diese und auch andere Worte
gelesen habe an den Grabsteinen. Wie sonderbar! Es war
fast Alles, was ich las, Latein, und er sprach es mir deutsch
vor. — „Alle sind gestorben und begraben, wie wir sterben
und begraben werden, und Niemand fuhr irdisch-lebend in
den „Himmel", — auch nicht Aloses oder Christus; denn
sie waren keine Götter, sondern Menschen, von Menschen
geboren und je nach ihrer Weise gottesfürchtig. Nur das,
was geistig an ihnen war, ging dorthin, wo wir erwartet
werden," sagt er. „Ich werde wohl noch Vieles sehen, aber
diese Stadt nicht mehr,'* meint der Geist." —
Bei dieser Gelegenheit sei noch eine Rückschau,
welche Frau de Fernem bezüglich des Ortes der
Kreuzigung Christi etc. hatte, hier angefügt. Diese
interessante Visionsschilderung lautet nach dem (von dem
Unterzeichneten) aufgenommenen bezüglichen Stenogramm
folgendermassen:
„Ich habi auf Golgatha das Kreuz aufrichten sehen.
Ein Geist sagte zu mir: „Thue einen Rückblick; ich will
dir etwas zeigen, was vergangen ist, aber es soll so aussehen
, als wie es einst gewesen/* Und ich sehe es, und
es war nicht Jerusalem. Es war auch nicht der Ort, der
beschrieben steht in der Bibel, sondern es ist ein ganz
anderer Ort. Man ging zu einem alten Thore hinaus.
An diesem Thore habe ich etwas gelesen, es war lateinisch,
und ich konnte es nicht verstehen. Zu demselben Thore
hinaus musste ich mit meinem Führer mitkommen, und es
war auf freiem Felde. Viele Menschen. Dort habe ich
das Kieuz sehen aufrichten, und dann habe ich das Holz
ganz genau gesehen: es war neues einfaches Holz und
braun gestrichen. Es war nicht, wie man sagt, ein Holz,
woran Viele schon gehängt vorden waren, sondern ganz
neu. — Darnach sagte ich zu meinem Führer: „Wo ist
denn das Kreuz geblieben?" Da sagte er: „Asche und
Staub. So wie Alles vergänglich auf Erden, so wie eure
Leiber zu Staub werden, so ist auch einst dieses Holz,
woran man den Heiland hängte, zu Staub geworden. —
Lug und Trug. Man sagt: „Drüben," — und da zeigt er
und da sehe ich von ferne Jerusalem, — „und da sagt
man: ,Dort ist die Stätte/ Aber es sind nicht die Stätten,
die man zeigt. Man nimmt Geld dafür; so betrügt man
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