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Kossuth: Physische und psychische Studien etc. 733
quantum dahin schwinden, oder die Einheit aufgehoben, der
Zusammenhang gelockert werden. In der Bewegung wird
ein jeder Körper ideell in zwei Hälften getheilt, deren eine
zu gleicher Zeit in entgegengesetzter (im allgemeinen
abweichender) Richtung sich bewegt. Diese Bewegung der
einen Hälfte bleibt aber, solange die Bewegungsgrösse eine
gewisse Grenze nicht überschreitet, — ideell, potentiell als
Bewegung, wirkt aber reell, als eine die reelle Bewegung
verzögernde Kraft, effektivirt sich als Trägheit.
Wie in allen Dingen, so muss auch in der Zeit eine
Negativität der Positivität gegenüberstehen; oder vielmehr
die Zeit besteht auch aus zwei entgegengesetzten Positivitäten,
aus einer vorgestellten und nicht vorgestellten Zeit. Danach
muss ein jedes Ding in der Zukunft als eine Potentialität
vorgestellt werden, wie auch thatsächlich ein jedes Ding in
der Vergangenheit potentiell, d. h. minimal effektiv vorgestellt
wird. Nun aber muss, — wie im Räume durch die Bewegung,
— die Möglichkeit da sein, dass eine zeitliche Potentialität
(etwas zeitlich Entferntes, Zukunlt oder Vergangenheit) eine
Effektivität (Gegenwart) wird (was natürlich das Potentiellwerden
einer Summe Gegenwart postulirt oder die Wirklichkeit
in der Gegenwart aufhebt). Es muss also angenommen
werden, dass, wie die räumlich entfernten Gegenstände, so
auch die zeitlich entfernten Zustände in Wechselwirkung
stehen *) Folglich ist ein jedes Ding auch in der Zeit ausgedehnt
. Wie ich in meiner vorangehenden Abhandlung
zeigte, ist sie eine in der Vorstellung (— aber nur in dieser! —)
minimale Räumlichkeit, so dass eine Gegenwart stets nur
einen Theil von jedem Dinge (also auch vom Räumlichen)
darstellt. Und zwar: weil ein jedes Ding eine unendliche
Veränderungsfähigkeit (ein konstantes Kraft- oder Bewegungsvermögen
) besitzt, so ist durch die Zeitausdehnung
dieses Vermögen quasi verkürzt. So lange es also eine
Zeitvorstellung giebt, kann das ganze Kraftvermögen nicht
gegeben sein. Unwiderleglicher Beweis dafür ist, dass die
Intensität der Kraft mit der Zeitdauer in
umgekehrtem Verhältniss steht. Weil aber Zeit und
Raum sich gegenseitig bedingen, wesentlich nicht verschieden
*) Siehe: Zöllner „Ueber die Natur der Cometen" (3. Aufl.)
1888, S. 133 — die Netmiatin*sehe Anschauungsweise betreffend. Auf
Grund meiner Anschauung, nach welcher Kaum und Zeit wesentlich
identisch sind, bilden die dort erwähnten zwei Hypothesen nur
eine einzige; denn wie ich schon in meiner ersten Abhandlung nachwies
: was räumlich entfernt ist, ist auch zeitlich entfernt.
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