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Maier: Ueber Spiritismus und Geistesstörung. 741
der Hölle, aus welcher er durch ihren Kath, zu Gott zu
beten, erlöst wurde. Schliesslich meldeten sich auch Kaiser
Wilhelm I. und Kaiser Friedrich; schöne Gedichte und Gebete
wurden niedergeschrieben, deren Inhalt ihr für gewöhnlich
fremdartig erschien. Endlich theilte ihr ein „Geist4* durch
die Schrift mit, in der nächsten Sitzung würden durch ihre
Mediumschaft Sterne im Zimmer herumfliegen. Ihre Exaltation
hierüber war so gross, dass sie noch ehe diese Sitzung,
zu der sie viele Leute und auch ihre sich ablehnend verhaltenden
Eltern eingeladen hatte, stattfinden konnte, wegen
tobsüchtiger Erregung am 19. Juni der Charite übergeben
werden musste, wo sie beständig pathetische Vorträge hielt,
behauptete, sie sei Gott, Vater und Sohn in eigener Person,
sie werde verklärt werden, die Anstalt sei ein Schloss, und
dann in einen ausgesprochen maniakalischen Zustand verfiel,
den sie als Trance erklärte. Am 3. Juli 1898 wurde Patientin
als geheilt entlassen, nachdem sie die Einsicht gewonnen
hatte, dass ihr „Stimmenhören" eine Krankheitserscheinung
sei. Sie hat seither jede Berührung mit spiritistischen
Kreisen vermieden; obschon sie an dem Glauben an „das
spiritistische Dogma" dauernd festhält. —
Auch die folgenden Fälle, auf die wir nicht weiter
eingehen können, bieten nicht nur für den Psychiater, sondern
auch für den Psychologen und speziell für den Spiritisten
hohes Interesse, insbesondere was die im religiösen Zustand
der „Amentia" gehaltenen ekstatischen Reden betrifft, bei
welchen die Patienten z. B. behaupten, dass Gott Vater
selbst oder Christus aus ihnen spreche, bezw. den voa Forel
konstatirten „autosuggerirten spiritistischen Besessenheitswahn
" aufweisen. Auf Grund dieser Beobachtung kommt
Verf. weiterhin freilich zu Schlüssen, mit welchen er offenbar
das Kind mit dem Bad ausschüttet, indem ihm z. B. schon
„die Begeisterung" für den Spiritismus unter Umständen
die Bedeutung eines „initialen Symptoms einer chronischen
Psychose" hat, namentlich wenn diese sich plötzlich geltend
machende „Schwärmerei** in auffallendem Gegensatz zu dem
früheren Wesen der betreffenden Persönlichkeit (etwa eines
materialistischen „Freidenkers") steht. Die zu so grosser
Berühmtheit gelangten „Geister", wie das von Florence Cook
materialisirte Gespenst „Katie King" sind, wie er offenbar
nach sehr oberflächlicher Kenntnissnahme der betreffenden
Berichte meint, vielleicht im „zweiten Zustand" von den
Medien selbst dargestellt worden. —
Nicht so selten ist nach seinem Eindruck „eine kritiklose
Hingabe an den Spiritismus ein Symptom eines senilen
geistigen Schwächezustands", wofür ihm dereine langsam ver-
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