http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0753
Maier: Ueber Spiritismus und Geistesstörung. 743
Erkeimtni88 so viel versprechenden Zukunft verbreiten kann,
irgendwo zu behelligen oder irgendwie einschränken zu wollen.
Denn darin, dass die fraglichen Erscheinungen bis jetzt auch
vom Standpunkt des Psychiaters aus noch nicht genügend
erklärt und daher ihre Ursachen und ihre Bedingungen
auf dem Wege des wissenschaftlich geleiteten Experiments
erst zu ergründen sind, wird ja wohl auch der Herr Verf.
mit uns übereinstimmen. Tief zu beklagen bei diesen so
verwickelten Untersuchungen ist freilich die auch uns sehr
bedauerliche, neuerdings bei dem so viel unnöthigen Staub
aufwirbelnden „Fall Rothe" wieder so bedenklich zu Tag
getretene und die unparteiische Peststellung der Thatsachen
so unendlich schwierig machende Erscheinung, dass vielfach
von beiden betheiligten Seiten dem besonnenen Forscher die
Ergründung und Klarlegung der betreffenden Phänomene
in ganz unnöthiger und fast unverantwortlicher Weise
erschwert, wenn nicht förmlich verhindert wird, indem
die angeblichen „Wissenschaftler" schon bei den ersten
Verdachtsmomenten, die ihnen ohne vorausgehende längere
Beobachtung auftauchen, über „Schwindel und Betrug"
schreien, wodurch dann eine gründliche Durch- und Ausprüfung
abgeschnitten wird, oder gar — als non plus ultra
eines antiwissenschaftlichen, also unloyalen Verfahrens —
die Versuchspersonen durch Bedrohung mit Polizei und
Gerichten unbrauchbar machen, während andererseits die
„gläubigen" Spiritisten auch den berechtigten Zweifel des
noch nicht, wie sie selbst durch eigene Erfahrung, überzeugten
Skeptikers diesem zum moralischen Vorwurf oder
Verbrechen anzurechnen und ihrem „Unwillen" über die
unliebsame Störung ihrer in Glaubensseligkeit befangenen
Cirkel in leidenschaftlicher Erregung Ausdruck zu verleihen
geneigt sind, die das allein zum Ziele führende ruhige und
streng objektive Abwägen aller in Betracht kommenden
Nebenumstände und das gemeinsame Weiterprüfen in
mit parlamentarischem Takt geführter Debatte geradezu
unmöglich zu machen pflegt. Verf. hat schon durch die
Einsendung seiner fleissigen und interessanten Arbeit seine
Geneigtheit zu sachlicher Auseinandersetzung mit den Gegnern
kundgegeben; möge sein Beispiel in den massgebenden
Kreisen Nachahmung finden.
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