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Kurze Notizen.
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Der Einsender meint freilich, sich gegen den Verdacht,
an solche Dinge selbst zu glauben, wahren zu müssen, indem
er beisetzt: „Wie wenig aber auf derlei übersinnliche,
wohl auch manchmal nur imaginäre Vorfälle zu geben ist
und wie haltlos der an sie sich knüpfende Aberglaube ist,
beweist folgender Fall von Telepathie aus Lenau's Leben:
Der Dichter schrieb im Jahre 1832 von Heidelberg aus an
seinen Schwager Schurz: „Ist nicht wer von meinen Bekannten
gestorben? Gestern, den 15. März, um 6 Uhr
Morgens? Ich lag in leichtem Schlummer und träumte
ruhig unbedeutende Dinge; da weckt mich auf einmal ein
lauter Schrei: »Niembsch!" hart an meinem Bette, so dass
ich auffuhr und mich umsah, aber nichts erblickte. Neben
meinem Zimmer schläft ein Studiosus, der hört zur selben
Zeit einen starken Schlag an seiner Thüre, dass er auch
aufwacht und vergebens nachsucht, wer da geklopft habe.
Auch war ihm im Schlafe, als habe er auch ^Niembschl" rufen
hören. Das ist eine kuriose Geschichte/4 — Eine Antwort
auf diesen Brief Lenau's liegt zwar nicht vor, doch berichtet
uns Schurz, dass zur fraglichen Zeit aus des Dichters Bekanntenkreise
weder Jemand verstorben oder erkrankt, noch
auch etwas Besonderes vorgefallen sei." — Das konnte doch
wohl — vollends nach längerer Zeit — ein Schwager, der
schwerlich alle früheren Bekannten Lenaus selbst kannte,
bezw. ihren Tod erfahren konnte, nicht mit absoluter Sicherheit
behaupten! Im Uebrigen sind derartige „Anmeldungen"
Sterbender so häufig und so sicher als zutreffend — und zwar
oft unter den sonderbarsten Nebenumständen — beglaubigt,
dass im einzelnen Fall die wohlfeile Annahme eines blossen
Zufalls uns ziemlich unwahrscheinlich erscheint. — Red.
e) Spiel des Zufalls oder eingetroffenes
Omen? — Prof. Dr. Hans Delbrück, der dem Hause des
Kaisers und der Kaiserin Friedrich als Erzieher des früh
verstorbenen Prinzen Waldemar sehr nahe stand, schreibt
in seiner im Octoberheft der „Preuss. Jahrbücher" veröffentlichten
Studie über die verewigte edle Dulderin: „Es
giebt bekanntlich viele sonst bochintelligente Menschen, die
doch irgend einem kleinen Aberglauben in bestimmten
Zahlen, Tagen oder Vorzeichen huldigen. Die Kaiserin
Friedrich war völlig frei davon, obgleich sie, wie sie erzählte
, einmal etwas erlebt hatte, was einen Menschen, der
sonst dazu geneigt sei, wohl hätte abergläubisch machen
können. Als sie ihren dritten Prinzen geboren hatte, fragte
der Kronprinz beim König an, wie er ihn nennen solle.
König Wilhelm erwiderte, es sei ihm gleich, nur den Namen
Ferdinand möge er nicht, der habe dem Hause kein Glück
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