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10 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1902.)
Frau Rothe, die bis dahin ruhig dagesessen hatte, die
Hände auf den Tisch gelegt, ergriff die Blätter und legte
sie auf den Tisch nieder. Das eine dieser Blätter, 16 cm
lang, 10 cm breit, rechtwinkelig geschnitten, ist aus gelbem
Conceptpapier; die beiden andern, je 11 cm im Quadrat, mit
abgestützten Ecken, sind aus weissem Papier. Von den letzteren
Blättern hat eines einen Fettflecken von fast 3 cm ljänge
und l1/^ cm grösster Breite. Während die Nächstsitzenden
die völlig unbeschriebenen Blätter nach allei Richtungen
hin betrachten, fragt Frau Rothe, die mich schon kurze Zeit
angesehen hatte: ,,Wer ist die Frau, die da neben Ihnen
steht?44 Ich sehe mich um, bemerke aber Niemanden.
„Jawohl", fährt Frau R. fort, sie streicht mit ihrer Hand
über ihren linken Arm und liebkost Sie41. „So lassen Sie
doch die Frau aufschreiben, wer sie ist,44 erwidere ich, und
reiche Frau R. eins der apportirten Blätter, das längliche,
hin. Frau Rothe ergreift das Blatt, führt es hastig unter
den Tisch, zugleich meine linke Hand auf das Blatt legend,
welches also auf der einen Fläche auf dem Tischboden aufliegt
, auf der andern von meiner flachen Hand, wenigstens
3 Th., bedeckt wird. Das Medium selbst legt seine Hände
auf meine Hand. Es mochten einige Minuten vergangen
sein, da Hess das Medium meine Hand los, ich zog das Blatt
hervor und fand beide Seiten mit Blei beschrieben; die eine
Seite ist voll beschrieben (Facs. 2), die andere mit 2*/2 Zeilen
(Facs. 3). Der zusammenhängende Inhalt, welcher sich auf
meinen damaligen Gemüthszustand bezog, trägt keine Unterschrift
; ich bin auch nicht im Stande, die Handschrift zu iden«
tifiziren. Auffällig schien mir, dass die eine Seite, welche
inhaltlich den Anfang bildete, nur 2*/2 Zeilen aufwies, dann
folgte die Fortsetzung auf der andern Seite. Eine Erklärung
ist vielleicht darin zu finden, dass die Bedingungen
für die vollgeschriebene Seite günstiger waren, insofern sie
auf dem Tischboden auflag, also mehr Dunkelheit hatte.
Kaum war der Inhalt verlesen und das Blatt aus meiner
Hand in die des Nachbars übergegangen, da ergriff das
Medium die beiden, noch auf dem Tische liegenden, unbeschriebenen
Blätter, führte sie unter den Tisch, legte wieder
meine linke Hand auf die (ihrerseits aufeinander liegenden)
Blätter, und auf meine Hand legte es die eignen Hände.
Frau R. musste, um dies zu ermöglichen, auf dem Boden
knieen, wobei sie den Oberkörper fest an die Tischkante
presste. Abwechselnd zog sie bald die eine, bald die andere
Hand unter dem Tische hervor, die dann wie von Muskelkrämpfen
krallenartig zusammengezogen war. Auf Wunsch
des Mediums strich ich mit meiner Rechten einige Mal über
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