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40 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1902.)
auf diesem unbekannten Seelengebiet begegneten, spraeb icb
eingehend mit meinem Manne darüber. Dieser sagte mir:
„Erzähle es Keinem und spotte nie darüber, am allerwenigsten
sage es Deiner Freundin T." Aber ich Hess mich verleiten,
dies gegen diesen guten Rath doch zu thun und, da sie
eine sehr witzige Art hatte, über meine «mystischen Duseleien"
zu spötteln, mnsste ich leider schliesslich selbst über das
Ganze lachen. Und wirklich von dem Tage an wurden mir
keine Wünsche mehr auf diese Weise erfüllt. Erst nach
Jahren trat diese unbekannte Kraft wieder in Wirkung.—
Aber etwas anderes erlebte ich öfters. Ich träumte
z. B. einmal sehr lebhaft, ein Freund meines Mannes bäte
mich, für ihn ein gutes Wort einzulegen, damit mein Mann
einen Brief in seinem Interesse schreibe. Erwachend erzählte
ich dies meinem Mann. Eine Stunde später erhielt ich einen
Brief, der bis ins Kleinste mit dem Traum übereinstimmte.
— Ein ander Mal habe ich etwas sehr Tragisches erlebt.
Ich liebte ein junges Mädchen sehr, die viel in unserem
Haus verkehrte. Ich kannte ihre Mutter nur im Bilde.
Nachts erwache ich, weil ich die Thüre meines Zimmers
gehen höre, ich richte mich auf, — in der Thüre steht mit
erhobenen Händen £.'s Mutter. Sofort am anderen Morgen
erzähle ich dies meinem Mann. Am anderen Tag kommt
ein Freund von E.'s Vater mit der Trauerkunde, dass die
Mutter meiner kleinen Freundin plötzlich gestorben sei,
voller Qualen, dass ihr liebes Kind ferne weile. — Dann
träume ich in einer Nacht entsetzlich beängstigend von einer
Mutter einer Jugendfreundin; so schwer und bang höre ich
sie rufen, dass ich in Schweiss gebadet aufwache. Dies
erzählte ich nicht. Aber am anderen Tage kommt ein Brief
meiner Schwester, die am Sterbebett dieser selben Dame
gestanden hatte, und darin wird mir mitgetheilt, dass die
Sterbende ununterbrochen nach mir gerufen; was sie gewollt,
habe man nicht ergründen können. — Ich bin nicht medial
veranlagt, habe sogar einen unüberwindlichen Widerwillen
gegen alle spiritistischen Cirkel und weiss gefühlsmässig,
dass es manche Gabe, die ich besitze, zerstören würde, wenn
ich an diesen feinen Verbindungsdrähten, die nach dem
innersten Seelengebiet führen, zerren wollte. Ich masse mir
keine Erklärungen an über diese Erlebnisse; vielleicht haben
sie einiges Interesse für diejenigen, welche schon Aehnliches
erlebten. Es sind an sich scheinbar unbedeutende, aber
durchaus wahre Erlebnisse; nichts wurde von der solche Erzählungen
so gern ausschmückenden Phantasie hinzu gethan.
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