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Kurze Notizen
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Dann wieder einer — und die Wärter kamen wieder, bis
schliesslich nur noch einer übrig blieb. Ich hatte Morphium
bekommen und schlief den grösseren Theil der Nacht." Nach
vielen Monaten erholte er sich so weit, dass er heimgesandt
werden konnte, und ich habe ihm jetzt von meinem Traum
erzählt." — Der Herausgeber des Journals fügt hinzu: „Wir
haben Beweise für die Glaubwürdigkeit dieser höchst seltsamen
Geschichte erhalten."
e) Träume als künstlerische Offenbarungen.
Einige der volkstümlichsten englischen Romane, erzählt
eine Londoner Zeitschrift, verdanken Träumen ihre Entstehung
. Ohne Defoes Traum wäre „Robinson Crusoe" vielleicht
nie geschrieben worden. Zu der Zeit, als dem Verfasser
die Idee zu seinem Romane kam, hatte er viele Qualen
durchzumachen, und sein Schlummer war oft durch Alpdrücken
heimgesucht. Bei einer dieser Gelegenheiten
träumte er, dass er allein auf einer wüsten Insel gestrandet
wäre, und Mittel zu suchen begänne, um sein Dasein zu
fristen. Das Erlebniss war so angenehm, dass Defoe beim
Erwachen eine Enttäuschung empfand; aber er machte sich
eiligst daran, seine Visionen in dichterische Form zu bringen.
— „Rienzi* war das Ergebniss eines Traumes von Lord Lyiton;
die ganze Verwickelung spielte sich während eines zweistündigen
Schlafes zwischen heftigen Anfällen von Nervenschmerzen
vor ibui ab. — Kingsley legte sich, nachdem er einen
Tag lang angestrengt gefischt hatte, zum Schlafen nieder
und erhielt in seinen Träumen eine schattenhafte Skizze
von „Westward Ho!" Welchen Zusammenhang die Geschichte
mit seinem Sport hatte, ist schwer zu verstehen. — Wenige
wissen, warum Coleridge's schönes Gedicht „Kubla Khan"
unvollendet geblieben ist; dieses Meisterwerk hat jedoch eine
sehr merkwürdige Geschichte. Der Dichter hatte ein schmerzstillendes
Mittel genommen und war eben eingeschlafen, als
das Gedicht sich in seinem Geiste zu gestalten anfing und
die Worte sich in gereimten Zeilen ordneten. Als er erwachte
, stürzte er an seinen Schreibtisch und schrieb die
Reihen, wie wir sie jetzt haben* ohne einen Augenblick
innezuhalten; aber am Schluss versagte sein Gedächtniss,
und so wurde das Gedicht niemals vollendet. — Ein anderes
berühmtes Gedicht, das im Traum verfasst wurde, ist „The
Beils" von Edgar Poe; derselbe Verfasser hat eines seiner
berühmtesten Prosastücke „The Masque of the Red Death"
während stundenlanger Bewusstlosigkeit entworfen. — „The
Strange Gase of Dr. Jekyll and Mr. Hydea machte Stevenson
wahrscheinlich mehr Kopfzerbrechen, als irgend eines seiner
anderen Werke; aber ein Traum half ihm aus der Verlegen»
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