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58 Psychische Stadien. XXIX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1902.)
heit. Er hatte eine Geschichte von dem Doppelgänger
eines Mannes begonnen, die ihn so wenig befriedigte, dass
er sie zerriss, ohne den Gegenstand aus seinen Gedanken
bannen zu können. Aber eines Nachts träumte er einen
Auftritt am Fenster und einige unbedeutende Zwischenfälle,
in der zweiten Nacht den Rest der Verwickelung, und bald
war die Geschichte den Papieren übergeben. — Ein anderer
berühmter Schriftsteller, James, hatte sich verpflichtet, seinen
Verlegern bis zu einem bestimmten Tage die Anfangskapitel
eines neuen Buches zu liefern, aber den Contract bis zu
dem vorhergehenden Abend vollständig vergessen. Er erzählt,
dass er bis in die ersten Morgenstunden am Feuer sass,
ohne dass ihm ein Plan irgend welcher Art kommen wollte,
bis er entmuthigt zu Bette ging. Während des Schlafens
woben sich die Fäden der fehlenden Handlung mechanisch
in seinem Geist, und ehe der nächste Tag zu Ende ging,
waren die ersten Kapitel von „Bernard Marsh" in den Händen
der Drucker. — Eines von Coulson KernakayC% besten Büchern
ist „God and the Ant", eine Phantasie, der man es leicht
glaubt, dass das Buch das Erzeugniss eines Traumes ist.
W. L. Alden träumte ebenfalls die hauptsächliche Verwickelung
und die Einzelheiten des Anfangskapitels eines seiner neuesten
Werke, das er sehr passend „Out of the Night" nannte.
Nur zwei Dichter sind so weit gegangen, Träume absichtlich
hervorzurufen, um in ihnen Entwürfe zu finden.
Dryäen ass oft Abends ein rohes Beefsteak, und das Alpdrücken
, das folgte, Hess einige seiner bemerkenswerthesten
Gedichte entstehen; Mayne Reiä gestand, dass seine Fruchtbarkeit
in Romanen bis zu einem gewissen Grade seiner
Gewohnheit zu verdanken wäre, vor dem Zubettgehen eine
Handvoll Rosskastanien zu essen, wenn er eines neuen
Motivs bedurfte. (C. K. in den „Leipziger N. Nachr." vom
2. September v. J. 2. Beil.)
/) Hamlets Grab. In der dänischen Presse hat
sich, wie dem „Gaulois" aus Kopenhagen geschrieben wird,
anlässlich einer vor Kurzem gefällten Entscheidung der
Stadtbehörde von Elseneur eine merkwürdige Diskussion erhoben
. Diese kleine Stadt besitzt nämlich in ihrer Umgebung
ein antikes Monument, über das früher schon ganze
Tintenströme geflossen sind. Einer haltlosen Volkstradition
zufolge galt es vor einem halben Jahrhundert als das Grab
Hamlet&% des Dänenprinzen, und ein findiger Gastwirth Hess
auf den mittleren Stein auch die Worte „Hamlefs Grab"
einmeisseln. Mit Hilfe einiger Reklamen in den Londoner
Blättern wurde der Ort eine Wallfahrtsstätte der englischen
Touristen; die deutsche Kritik mochte noch so klar beweisen,
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