http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0070
Kurze Notizen.
61
2) Das Greisenalter beginnt mit siebzig Jahren. (2. Beil.
zum „Leipz. Tagebl." Nr. 471. v. J.)
h) Eine Scheinoperation. Welche Wirkung die
Suggestion auf den Menschen ausübt, das beweist eine
Krankengeschichte, die Dr. Gomöry einer Wiener medizinischen
Zeitschrift erzählt. Ein hochgradig nervös veranlagter Offizier
war wegen eines Leistenbruches operirt worden, und obgleich
der Eingriff tadellos verlaufen war, bildete sich der Patient
ein, dass doch nicht alles in Ordnung sei. Diese Idee machte
ihn immer unruhiger, er vernachlässigte seinen Dienst, klagte
jedermann seine eigenartigen Beschwerden und Hess sich
schliesslich ganz von der Zwangsvorstellung beeinflussen, dass
sein Zustand nur durch eine neue Operation geheilt werden
könne. Obgleich die Untersuchung durchaus befriedigende
Verhältnisse ergab, drang er ungestüm in seine Aerzte, ihn
nochmals zu operiren. Die vorgesetzte Behörde sah sich
schliesslich genöthigt, ihn auf seinen Geisteszustand untersuchen
zu lassen. Nach langem Bitten setzte er es denn
auch durch, dass Dr. Gomöry in eine Operation einwilligte.
Es wurden in der Betäubung zwei flache Hautschnitte in
der Nähe der alten Narbe geführt und sofort wieder geschlossen
. Der „Patient" musste vierzehn Tage einen Verband
tragen. Die Assistenzärzte und das Pflegepersonal waren
strengstens angewiesen wordep, über die Art der Operation
nichts verlauten zu lassen. Der Offizier war sofort nach der
Operation von allen Schmerzen befreit, und auch seine geistige
Störung verlor sich vollständig, so dass er seinen Dienst
wieder m vollem Umfange aufnehmen konnte. — Jedenfalls
ein klarer Beweis dafür, wie weit der seelische Ein-
fluss auf das körperliche Befinden des Menschen mitunter
gehen kann.
i) Spiegel als Ursache widriger Empfindungen
erwähnt Reichenbach in Bd. II, S. 542 „Der sensitive Mensch*1.
Die Abneigung Sensitiver gegen Metalle und deren odpositive
Dünste oder Strahlungen ist bekannt; Quecksilberspiegel
besonders können bei ihnen (wofür Reichenbach mehrere
Beispiele vorführt) sehr starke Kopf- und Magenaffektionen,
auch Krämpfe hervorrufen, oder, wie wir nun aus der Notiz
der „Psych. Stud." von 1901, S. 761 erfahren, sogar Ohnmächten
. Derartigen sehr empfindlichen Personen ist die
Benutzung kleiner Handspiegel zu empfehlen; je kleiner,
desto gelinder tritt dieser schädliche Effekt hervor. —
Albert Kniepf*)
*) Obige Notiz ging uns als freundliche Antwort auf unsere
Anfrage im Dezember-Heft v. J. (S. 761, dritte Fussnote) zu. — Eed.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0070