Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
29. Jahrgang.1902
Seite: 70
(PDF, 221 MB)
Bibliographische Information
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70 PsyoMsohe Studien. XXIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1902.)

intensiven Hallucinationen lassen sofort an Hysterie denken.
So haben auch die meisten Aerzte die Ekstatischen zu den
Hysterischen gerechnet. Ich selbst habe in einer früheren
Schrift mir erlaubt (und bin deshalb getadelt worden), die
heilige Therese die Schutzheilige der Hysterischen zu nennen
— und die heilige Therese ist wohl weitherzig genug, daran
keinen Anstoss zu nehmen und wird unseren armen Kranken
gern ihren Schutz gewähren. Nun sind mir aber nach der
jahrelangen Beobachtung einer ähnlich gearteten Ekstatischen
über die Triftigkeit dieser ärztlichen Diagnose doch Zweifel
gekommen. Die ekstatischen Anfälle kommen ja allerdings
dem hysterischen Somnambulismus nahe, aber ihre Symptome
sind nicht so scharf und vollständig bestimmt. Wir haben
gesehen, wie es sich mit der Bewegungslosigkeit und der
Unempfindlichkeit verhält und wie die Amnesie fehlt Auch
die Hallucinationen sind nicht so entschieden, dass die
Kranke sie für wirklich hielte und ihre Handlungen danach
einrichtete. Es ist also nur eine abgeschwächte, unvollständige
Hysterie. Und die dazwischen auftretenden Angstanfälle
haben nichts mit Hysterie gemein. Die Kranken unterliegen
einem Wechsel zwischen beiderlei Neurosen.

Der Zustand der Angst und des Zweifels, die Abulie,
äussert sich als die Unfähigkeit, die grosse Zahl von Wahrnehmungen
, Empfindungen, Vorstellungen, die in unser
Bewusstsein eintreten, fest zusammenzufassen. Einem kräftigen
Geiste gelingt dies; der Wille wird entschlossen, die Vorstellungen
sicher, die Wahrnehmungen als gegenwärtig
empfunden. Gelingt dies nicht, so folgt daraus Zögern,
Unsicherheit, Gleichgültigkeit gegen die Umgebung — ein
peinlicher Zustand, dem der Kranke oft durch verzweifelte
Anstrengungen zu entgehen sucht. Er empfindet wohl auch,
dass die Hauptschwierigkeit für ihn die Zusammenfassung
der Mannigfaltigkeit der psychischen Vorgänge ist, und halb
unbewusst kommt er zu der Lösung: seine Gedanken zu
beschränken, um sie leichter zusammenzuhalten. Die Verwickelung
der psychischen Vorgänge ist wesentlich bedingt
durch die Verwickelungen unserer Lebensführung. Ohne
unsere socialen Verpflichtungen, ohne das Streben nach
Gütern und Macht, ohne die Sorgen für die .Familie würde
unser Leben so viel einfacher sein. Es giebt Personen, die
ohne ekstatisch zu sein, sich allen diesen Verwickelungen zu
entziehen suchen. Ich kenne ein sehr begabtes, künstlerisch
angelegtes, reiches junges Mädchen, das schon sechs Jahre
lang in einem Zimmerchen für sich lebt, ihre Familie nicht
sehen mag, niemand einlässt als den Arzt, nie ausgeht und
von der Aussen weit so gut wie nichts erfährt; so führt sie


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