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102 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1902.)
Erscheinungswelt überhaupt als möglich erkannt und der
Möglichkeit, eine grössere Menge okkulter Thatsachen
ebenso zu deuten, steht nichts mehr im Wege. Nichts
desto weniger würde man in schlimme Thorheiten verfallen,
wollte man diese Möglichkeit zu weit ausdehnen; denn es
ist selbstverständlich, dass Fähigkeiten, welche nach dem
Tode des physischen Körpers uns eignen, schon vor dem
Tode in uns gesäet sein müssen, und die eigentlich psychische
Wesensk?aft, welche sich d'en physische^ Leib eMute,
wird sich, wenn die Macht eines Augenblickes sie in ihrer
unmittelbaren Ursprünglichkeit entfesselt, der selbstgesteckten
gewöhnlichen Schranken dieser Leiblichkeit zuweilen
entledigen. So zeigen die ausnahmsweisen Fähigkeiten der
Lebenden in uns die psychische Kraft, die über den Leib
und dessen Endlichkeit hinausragt , und so lassen andere
Phänomene, welche am füglichsten der spiritistischen Hypothese
eingeräumt werden, die aussersinnlichen Anlagen
schon inmitten unseres Körperlebens begreifen. Beides ergänzt
und stützt sich. Uebrigens ist klar, dass, wo bei
Lebenden Thätigkeiten, wie die des Fernsehens, Fernwirkens
, der Doppelgängerei wahrgenommen werden, solche
zunächst stets als selbsteigene Kraftäusserungen aufzufassen
sind, und es ist unbestreitbar, was du Prel wiederholt einschärfte
, dass man die Erklärungsweisen so einfach wie
möglich aufstellen und nicht ohne Noth vermehren dürfe.
Andererseits sollen wir festhalten, dass, wenn doch einmal
die spiritistische Hypothese zur Erklärung mancher okkulter
Phänomene Anwendung findet und also bereits Geltung
besitzt, sie den grösseren Kreis beschreibt, der den
kleineren der animistisch gedeuteten Vorgänge umschliesst,
und dass mithin die Möglichkeit der spiritistischen Ursache
auch bei diesen Dingen, die mehr oder minder der
animistischen Auffassung offen stehen und die theilweise
sich derselben auf das Natürlichste darbieten, immer noch
gegeben ist. Die Entäusserung der Fesseln des Körpers
ist ja schon bei okkulten Wirkungen der Lebenden ihre
beste Erleichterung und Hilfe und es versteht sich, dass
bei der Annahme eines vom physischen Körper ganz befreiten
, rein astralleiblichen Wirkens der Todten somit
dieses mit erweitertem Umfange über jenes animistische
hinausreicht. Ihre alleinige wissenschaftliche Berechtigung
und Sicherheit würde die animistische Hypothese, auch wo
sie die ausreichende und wohlberechtigte ist, nur dann
haben, wenn die spiritistische Hypothese ganz und gar ausgeschlossen
werden könnte. Ich halte diese völlige Ausschliessung
, wenn man nach allen Schlupfwinkeln und
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