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126 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1902.)
spricht. Bekanntlich, hat der Körper 3 Ausdehnungen: Länge, Breite
und Höhe. Da der Punkt keine Ausdehnung hat, so muss derselbe
mathematisch als Baum mit 0 Ausdehnungen oder Dimensionen bezeichnet
werden; dann ist die Länge als eindimensionaler, die Fläche
als zweidimensionaler, der Körper als dreidimensionaler Baum anzusehen
. Mathematisch möglich sind sicher mehr als dreidimensionale
Bäume, also nicht nur ein vierdimensionaler, sondern
überhaupt n-dimensionale Bäume. Die aus diesen Voraussetzungen
mit streng logischer Folgerichtigkeit entwickelten und, wo es erforderlich
erschien, durch mathematische Figuren veranschaulichten
„Grundsätze der dimensionalen Weltanschauung" lauten nun: Es
giebt ein ewiges allmächtiges Naturgesetz; wir nennen es „Gott".
Dieses Gesetz bezweckt WeiterentWickelung. Diesen Zweck
erfüllt das Gesetz, indem es das Dasein der Wesen umso glücklicher
gestaltet, jemehr sie während ihrer Entwickelung nach dem Höheren
streben, nach ihrer Entstehung zusammenwirken und so ein Wesen
der nächsthöheren Dimension — so für den Menschen die bereits
der 4. Dimension zugehörige Seele — heranzüchten. Die Folge der
Wirkung dieses Gesetzes war, dass sich aus dem „Nichts' ein -Etwas
" bildete, das aus Baumgebilden, also aus Gebilden besteht, die
sich im unendlichen Baum nach einer bestimmten Zahl von Bich-
tungen ausdehnen. Das Nichts ist kein Baumgebilde, also etwas, was
sich im unendlichen Baum nach keiner Bichtung hin ausdehnt;
es entspricht dem mathematischen Punkte, der an allen Orten und
zu jeder Zeit denkbar ist, also den Begriff der Ewigkeit und Unendlichkeit
in sich schliesst. Dieses „Nichts", d. h. diese Menge
von „Punktwesen", nennt Verfasser den „Aether". Das „Etwas"
entwickelt sich in mathematischer Beihenfolge aus dem Nichts, indem
die Baumgebilde der l.? 2., 3. Dimension u. s. w. aus den Wesen
der vorhergehenden Dimension hervorgehen. Wir kennen die Geschöpfe
der 1., 2. und 3. Dimension; die der 1. sind die Strahlen,
die der 2. die Elektrizität, die der 3. die Atome. Der Mensch
ist das in derEntwickelungbegriffene vierdimen-
sioaale Wesen, die sich zum Geist weiter entwickelnde „Seele".
Alle Baumgebilde sind ewig; sie unterscheiden sich unter einander
durch ihre Grösse. Je grösser (wir würden vorziehen: je ausdehnungsfähiger
) ein Baumgebilde ist, um so grösser ist sein
Glück. Diese Grösse wird bedingt durch die Grösse der Willenskraft
, die sich das Baumgebilde während seiner Entwicklungszeit
aneignet. — Die Begründung dieser Gedanken im Einzelnen zeigt,
wie sich Verfasser wohl bewusst ist, indem er im Schlusswort selbst
gesteht, in der Fredde über seine alle letzten Fragen lösende Entdeckung
, wTie es ja jedem selbständigen Denker zu gehen pflegt,
„kurz, fast flüchtig gearbeitet" und nur die wichtigsten Beweise angeführt
zu haben, dem Sachkundigen manche Blossen und Angriffspunkte
; so kann namentlich gegen seine Behauptung, alle Atome,
die wir auf unserer Erde kennen und welche die Naturwissenschaft
als ewig und unvergänglich annimmt, haben Kugelgestalt, eingewendet
werden, dass noch kein menschliches Auge im vollendetsten
Mikroskop ein „Atom44 geschaut hat und die dynamische
Naturauffassung neuerdings bekanntlich die Atome durch blosse
Kraftcentren ersetzt. Doch kommt dies ja schliesslich auf einen
blossen Wortstreit hinaus, da Verfasser ebensogut von Molekeln
sprechen könnte. Immerhin verdient sein Werkchen die ernsteste
Beachtung aller Forscher auf mathematischem, naturphilosophischem
und speziell dem „grenzwissenschaftlichen" Gebiet des Okkultismus;
denn es ist von der denkbar grössten Tragweite für die theoretische
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