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Wernekke: Otto v, Schrön's Beobachtungen über Krystallbildung. 131
obachtungsmethoden gefehlt hat, — auch weil meine Vorgänger
einen anderen Begriff des Lebens mitbrachten. Ich
will nur hinweisen auf die fabelhaften Vergrösserungen, die
ich durch Mikrophotographie mittelst Projection habe erzielen
können; unter bestimmten Verhältnissen sind derartige Vergrösserungen
nützlich, unter anderen völlig unbrauchbar. Ich
weise hin auf meine schwebenden Tropfen, die seit 16 Jahren
eingeschlossen und noch lebend sind, in denen Erscheinungen
von höchstem Interesse vor sich gehen; ferner die Reihen
von Querschnitten solcher Tropfen, gefärbt und in Canada-
balsam conservirt, so dass sie unter den stärksten Vergrösserungen
zu beobachten sind.
Ein eigentliches Leben, im Sinne der Biologie, setzt
das Vorhandensein eines Plasmas voraus, aus dessen Ent-
wickelung von den elementaren zu den complicirten Zellformen
sich eine Reihe von Ernährung- und Gestaltungsformen
crgiebt, wie sie bis jetzt an Krystallen noch nicht nachgewiesen
worden ist. Mit der Entdeckung des fadenförmigen
Petroplasmas der Salze und der Peststeilung der Analogie
dieses Petroplasmas mit dem Phytoplasma der Algen, mit
dem nicht minder wichtigen Nachweise der Steinzelle bei
Salzen und Eruptivgesteinen, mit anderen Worten, mit der
Entdeckung des petroblastischen und cellularen Ursprungs
der Krystalle der Eelsarten, beginnt der Nachweis eines
solchen Lebens, wobei ich mir recht wohl sage, dass trotz
der Evidenz der bezüglichen Thatsachen ihre Anerkennung
nur langsam erfolgen wird. Die Vertreter der Specialforschung
sind in der Mehrzahl der Fälle allem, was ausserhalb ihres
Bereichs liegt, unzugänglich. Im Laboratorium des Professors
Cannizzaro in Rom führte ich vor einigen Jahren einen Theil
meiner Entdeckungen vor. Zugegen waren u. a, Blaserna,
Brioschi, Cannizzaro Vater und Sohn, Marchiafava, Sella,
Tommasi-Crudeli. Der schwer vermisste Brioschi hatte mit
seinem Adlerblick die Bedeutung der neuen Dinge wohl
eingesehen; er meinte aber: Gewiss wird der Sieg schwer
sein; ein Glück ist es nur, dass die Entdeckungen einem
Biologen und keinem Mineralogen in die Hände gekommen
sind; der hätte wenig Nutzen für die Wissenschaft daraus
ziehen können." — Allerdings würde ein Mineralog, um meine
Entdeckungen, welche die Krystallbildung nur zu kleinem
Theile betreffen, sich anzueignen, erst allgemeine Morphologie
und Biologie, die Plasmen und Zellen überhaupt in ihren
verschiedenen JFormen gegenüber den Steinzellen studiren
müssen. Die Analogien bezüglich der Gestalt, der inneren
Structur, der Bildungsproducte, der Keimptozesse sind
zwischen Steinzellen auf der einen und Pflanzen- und Thier-
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