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132 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1902.)
zellen auf der anderen Seite so zahlreich, dass erstere nur
von dem richtig zu würdigen sind, der zugleich auch letztere
kennt. Es erhält dann die Steinzelle noch eine besondere
Wichtigkeit für die allgemeine Morphologie vermöge ihrer
höchst interessanten Kernproducte, wegen der bei manchen
auftretenden autochthonen Farbenveränderung und durch
den Umstand, dass jede Steinzelle eines Krystalls von
plutonischen Gesteinen oder glühender Lava seine ganze
Lebensgeschichte in sich und um sich aufbewahrt trägt.
Diese Erscheinung tritt bei den Steinzellen viel deutlicher
hervor als bei pflanzlichen und thierischen, da sich deren
aufeinander folgende Producte durch die Wirkung der im
Thier- und Pflanzenleibe circulirenden Flüssigkeiten sehr
leicht von ihrem ursprünglichen Sitze entfernen.
Bemerken will ich übrigens, dass ich nie gesagt habe,
die Steine lebten, oder dass ein Krystall immer lebendig
sei; ich beschränke mich vielmehr auf den Nachweis, dass
der Krystall in einer gewissen Periode seines Daseins deutliche
Lebenszeichen giebt — und zwar eben zur Zeit seiner
Structurentwickelt1 ng. Fragt man, warum andere Forscher
nicht auch diese Vorgänge beobachtet haben, so antworte
ich mit der Bitte, danach die anderen zu fragen. Nicht
jedem ist es gegeben, neue Methoden zu ersinnen und bis
zu einem hohen Grade der Technik zu vervollkommnen, und
nicht alle können sehen oder das Gesehene richtig deuten.
Der schwierigste Punkt bleibt jedenfalls die gehörige Ausbildung
der Technik, namentlich nach der Richtung, dass
sich die fraglichen Vorgänge allen vorführen lassen, auch
denen, die in dem betreffenden Fache der Wissenschaft nicht
zu Hause sind.
Das Ergebniss meiner Arbeiten lässt sich in folgenden
Punkten zusammenfassen:
1) Entdeckung des Petroplasmas, welches bald
hyalin (glasartig), bald körnig, eckig oder netzförmig bei
der ersten Gestaltung des künftigen Krystalls auftritt, oder,
noch schärfer ausgedrückt, im vorkrystallinischen Zustande
den Urstoff des entstehenden Individuums darstellt, welches
im reifen Zustande Krystall heisst.
2) Entdeckung der Petroblasteru worunter nach Analogie
der Osteoblasten, Odontoblasten (Elemente der Knochenbildung
, Zahnbildung) u. s. w. die einfachsten organoidischen
Formen des mineralischen Lebens, also die charakteristischen
Bildungselemente des Gesteins im weiteren Sinne und des
Krystalls im engeren Sinne (zumal bei den Salzen) zu verstehen
sind.
3) Entdeckung der Steinzellen, sowohl bei den Salzen,
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