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142 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1902.)
das von Kant zugestandene Hineinragen der Mensehenseeie
in das Jenseits mit dem Hineinragen desselben in das
Diesseits abwechsele und ineinandergreife. Ich meinestheils
gewinne je länger je mehr die Ueberzeugung, dass eine
reinliche Scheidung zwischen diesen beiden Kategorien sich
nur in den seltenen Fällen postmortaler Auslösung von
Monoideismen wird vollziehen lassen, und dass unsere Psyche
weitaus mehr Kunde aus dem Jenseits vermöge ihres Hineinragens
selbstthätig herausholt, als dass Jenseitige in das
Diesseits aus eigenem Antriebe Mittheilungen machen. Was
Daniel Home anlangt, so schliesse ich mich Bermann's Worten
an: „Nicht das, dass er ein Medium, noch dass er ein
Medium von seltensten Kräften war, ist an ihm das Ausserordentliche
, sondern dies, dass er in der reinsten Auffassung
so aussergewöhnlicher Graben ihnen durch Gesinnungsstärke,
Wahrheitsliebe und die edelster. Gemüthseigenschaften die
Richtung gab, welche das Aussergewöhnliche erst zum
Ausserordentlichen erhoben." Hat Oliver Lodge prophetisch
gerufen: „Ein zweiter Home wird wiederkommen", so muss
es noch mehr unser Wunsch sein, dass derselbe einen
zweiten Crookes finde. Ehe die Hochburg der offiziellen
Wissensehaft nicht capituliert, ist eine durchgreifende Anerkennung
und Verwerthung der medialen Phänomene für
unser Culturleben nicht zu erwarten. —
Naturalistische Geisterlehre.
Von Prof. William JDamiiar, New-York.
I. Das moderne Nirwana.
Im halb-übernatürlichen Dualismus von „Natur und
Geist" als den beiden Elementen der Welt bildet „Geist"
den übernatürlichen TheiJ, in welchen in der Konfusion des
Mittelalters auch die Geister hineingerathen sind. Durch
die irrthümliche Uebersetzung von „Spiritus sanctus" mit
„heiligem Geist" sind wir in das Wirrsal gerathen, die
intellektuelle Befähigung des Menschen sowohl als auch ein
Lebewesen in der unsichtbaren Abtheiiung des organischen
Lebens als „Geist" zu bezeichnen und sie wesentlich zu
identifiziren. Als der moderne „Spiritismus" erblühte, trat
man allgemein mit dem Vorurtheile an die Geisterforschung
heran, dass die sich manifestirenden Geister „Psychen" oder
„Spirits" seien und ihre Erforschung eine Aufgabe der
Psychologie sei. Wie gross, resp. klein das Eesultat ist,
welches die Psychologie im vergangenen Halbjahrhundert in
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