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144 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1902.)
Bedeutung zurück und meine mit einem Geiste einen unsichtbaren
„Gast", ohne ihn im Geringsten mit Psyche (Seele),
Vernunft, verstand, und was sonst noch mit zum „Geiste"
eines Menschen gezählt wird, zu identifiziren. Geisterforschung
und „Geistforschung" sind hier also streng
auseinander gehalten.
Die Geister manifestiren sich als natürliche Körper,
und zeigen nichts „Uebernatürliehes", noch nicht einmal
etwas „Uebermen8chliches.u Die Geister aus moderner Zeit
geben sich auch ziemlich einstimmig für natürliche Wesen
aus; aber wir wollen ihre Aussagen aus dem Spiele lassen
und uns nur auf unsere eigene Beobachtung verlassen. Da
uns die Geister als natürliche Wesen erscheinen, so sind
sie der Forschung zugänglich, um zu ergründen, aus welcher
Substanz sie bestehen und welche Stellung in der N&tur sie
inne halten, und eine Lehre, welche dies besagt, ist natürlich
eine naturalistische Geisterlehre. Aber eine solche
Lehre kann nicht isolirt dastehen, wie die supernaturalistiscbe
es thut, sondern muss eine allgemeine Theorie der Natur
zur Basis haben,.—
Die mechanische Theorie der Natur, welche diese ein
müssiges und resultatloses Spiel bedürfnissloser „Atome"
sein lässt, hat keinen Platz für eine Geisterlehre und leugnet
die Existenz der Geister; aber diese Theorie iand mit dem
berühmten „Ignorabimus" des Prof. Du Bois-Reymond ihren
prinzipiellen Abschluss, ihren Bankerott. Seitdem ist in
Deutschland die Energetik in den Vordergrund getreten;
sie lässt die Welt eine Komposition von polaren Kräften
sein und setzt dadurch den alten Begriff der „Materie" bei
Seite. Da die Leser der „Psych. Stud." mit den Lehren
der Energetiker ohne Zweifel schon näher bekannt sind,
werden sie auch bald die vor etwa 18 Jahren entstandene
ähnliche Theorie verstehen, die sich dadurch von der
energetischen unterscheidet, dass sie die Gegenkräfte
nicht addirt, sondern multiplizirt, und dann ein
konstantes Produkt, „Galom"*) genannt, erreicht, und
dieses statt der Kräfte als die Weltwesenheit hinstellt. Diese
Theorie mubs ich zunächst in Aussenlinien skizziren, denn
sie bildet die Basis der von mir vertretenen Geisterlehre.
Als Stoff bezeichnen wir das Raum vollstopfende,
Itaumfüllende, ohne Rücksicht auf das Wesen desselben.
Der so definirte Stoff ist keine „Materie"; denn die passive
*) Was soll dieser Ausdruck etymologisch bedeuten? Wenn
auch eine neu entdeckte Sache ihr eigenes Wort beanspruchen mag,
so muss diesem u. E. doch ein die Bedeutung ahnen lassender Sinn
inne wohnen. — Red.
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