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154 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 3. Heft. (März 1902.)
Stadt mir vorkamen und tief in mein Leben eingriffen, was
ich freilich jetzt noch nicht ahnte und nicht zu deuten
wusste, was mir aber später in völliger Klarheit vor Augen
trat. Oft gruppirten sich diese Bilder, und ich erblickte
mich selbst unter ihnen, zu Darstellungen, die immer wieder
wechselten, und später erkannte ich, dass diese Szenen aus
meinem damals noch kommenden Leben gewesen.
Auf all den Fenstern und in all den Darstellungen erblickte
ich unter anderen Frauen und Männergestalten
immer eine Gestalt wieder, und diese leuchtete mir aus
allen klar heraus; und schien sie mir zu verschwinden,
wandelte mich eine Angst an, und ich suchte sie, bis ich
sie wieder sah. Nachher erkannte ich in der treuen Gefährtin
meines Lebens diese damals auf diesem Kirchenfenster
im Traume gesehene Gestalt wieder. — Nach und
nach verwandelten sich in diesem Traume Bilder, Kirche
und Thurm zu anderen Gestalten,
Reine Wahrheit ist, dass ich von dieser Zeit an durch
1 mein ganzes Leben voraussagende Träume behielt, die mir
zu einer wahren Qual im Leben wurden, eine Qual, die ich
keinem wünsche und die mich gleichsam praktisch kennen
lehrte, welch ein Unglück es für den Menschen wäre, hätte
ihm Gottes weise Hand die Zukunft nicht verschlossen.
Diese voraussagenden Träume finden bei mir gegen Morgen
statt, besonders wenn eine schlaflose Nacht mich erst gegen
Morgen ruhen und in Schlaf sinken lässt. Sie kamen immer
unter Bildern und symbolisch vor. Erscheinen von Licht
bedeutet kommende Freude (ach! es erscheint mir solches
in meinem Alter immer seltener!).
Nachdem mich diese Lichtträume lange als frohe Vorbedeutung
durchs Leben begleitet, träumte mir einmal (es
war im vorgeschrittenen Alter), ich sehe an den vier Ecken
meines Hauses eine leuchtende Glut, die aber Einer mit
einem Zweispitz herauszuhauen trachtete. Ich konnte mir
wachend den Traum nicht sogleich deuten, hoffte noch auf
eine kommende Freude, aber später erkannte ich, dass mir
durch diesen Traum symbolisch angedeutet wurde, es solle
fortan mit allen jenen Lichterscheinungen (Freuden) aus
sein, sie sollen gleichsam aus meinem Hause herausgehauen
werden. Denn von dort an hatte ich keinen Traum von
Licht mehr und kam auch keine wahre Freude mehr in
mich. Seit damals scheint mich auch meine Grundzahl
verlassen zu haben, die Zahl Sieben, in der mir immer
etwas Freudiges wurde, während sie jetzt im Gegentheil
immer nur Trauer bringt. . . Wasser bedeutet stets bei
mir Verdruss und Betrübniss; springendes Wasser keine
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