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Kossuth: Physische und psychische Studien eto. 169
Beide erheischen das Minimum eines bestimmten, ziel-
bewussten Wollens (Gleichgültigkeit). Dieser Zustand
der gemüthlichen Neutralität kann aber durch zwei
entgegengesetzte Mittel erzielt werden und zwar:
a) eine geringe, aber lang dauernde, anhaltende, hauptsächlich
unausgesetzte, einseitige und sich gleichbleibende
Spannung des Nervensystems oder
ß) eine sehr kurze, aber sehr grosse Anspannung desselben
(plötzliche Erschütterung, Erschrecken, Ueberraschung,
Wuth); denn auf beide folgt (oder geht mit ihnen parallel)
als Reaktion eine entsprechende Abspannung, Betäubung,
Unempfindlichkeit oder Bewusstlosigkeit, welche kürzer oder
länger andauern, und mehr oder weniger tief sein kann.
Es ist bekannt, dass je energischer, je tiefer die Ge-
dankenthätigkeit, d. h. die begriffliche Vorstellung ist, umso
schwächer die Sinnesthätigkeit wird, umso weniger äussere
Eindrücke, z. B. räumliche Vorstellungen bewusst werden
(Zerstreutheit). Dies ist aber an sich ebenfalls nicht günstig
für mediumistische Erscheinungen, sondern nur in dem
Moment, oder in den Momenten, wo die Reaktion eintritt;
denn im Denken ist nur da3 äussere Bewusstsein geschwächt,
das innere aber erhöht. Hört aber das ursächliche Denken
auf, wird ein unbestimmtes Verlangen, ein Schmerz daraus und
folgt darauf ein passiver Zustand der Seele, eine Objektivität
(deren Nothwendigkeit für künstlerische Schöpfungen
Schopenhauer so schön nachweist), so ist eine günstige
Disposition für mediumistische Erscheinungen gegeben.
Ein dunkler, stiller Ort, Einsamkeit, dabei Körper- und
Gemüthsruhe, Sorglosigkeit, bezw. Langeweile sind günstige
Bedingungen dazu, dass aus einer Gedankenmöglichkeit
unmittelbar eine sinnliche Vorstellung — „WirklichkeitÄ im
gewöhnlichen Sinne —, das Ideelle mehr oder weniger reell,
das Geistige versinnlicht, oder gar verkörperlicht wird. Die
Ursache ist einfach und offenbar. Die Vorstellung, die
wirkliche Welt im gewöhnlichen Sinne ist, wie schon bemerkt,
nur eine starke Illusion; sie ist, wenn nicht die Thätigkeit
der Seele selbst, so doch mindestens durch die Seele bedingt.
Und diese, die sinnlichen Vorstellungen wesentlich oder
formell bedingende Thätigkeit der Seele ist das Leben,
die Existenzbedingung der Seele oder ist die Seele selbst.
Schliessen wir daher die gewöhnlichen Vorstellungen möglichst
aus, so muss die Seele nothwendig andere Vorstellungen
hervorbringen. Was für welche, ist unbestimmbar, wenigstens
vorläufig; sie werden sich aber wahrscheinlich nach einer
wirklichen Begierde, einem wirklichen Bedürfnisse
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