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178 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 3 Heft. (März 1902.)
ihre Freundin zugleich den Eeisezweek hatte, einen berühmten
Augenarzt daselbst zu Rathe zu ziehen. — Mrs. d'Esperance
bewahrt das strengste Incognito; ihr Name wird im Gasthof
nicht angegeben. Durch Vermittelung eines Bekannten,
Professor S. (wohl Sellin? — Red.) wird am 11. September
um 5 Uhr Nachmittags bei hellem Tageslicht, eine Sitzung
veranstaltet, die in dem Zimmer der beiden englischen Damen
stattfindet, einem Zimmer mit drei Penstern. Prof. S. bringt
Frau Rothe in dem Gasthof zu den Damen; der Impresario,
Herr Jenisch, wird von Mrs. d'Espirance nicht erwähnt,
er war also, wie es scheint, nicht von der Partie. (? — Red.)
Frau d1 Esperance erzählt nun:
„Einige Minuten vor 5 Uhr erschienen sie (der Professor
mit Frau Rothe). Ich habe nie ein so schüchtern und er*
schrocken aussehendes Frauchen gesehen. Ihre Augen
erinnerten mich sehr stark an die eines verwundeten Hasen,
den wir kürzlich auf einem Manöverfeld von den Hufen eines
Pferdes erretteten. Sie ist von mittlerer Grösse und äusserst
schlank; gekleidet war sie in einem dunklen, um die Hüften
eng anschliessenden Rock nach der jetzigen Mode, wobei
selbst ein Taschentuch in der Tasche bauschig hervortritt;
eine dunkle seidene Blouse mit eng anliegenden Aermeln,
ein kurzes Ausgehjacket und ein runder Hut vollendeten
die Kleidung. Das Jacket sammt Hut nahm ich ihr
selbst ab, Frau R. setzte sich auf einen Stuhl, den drei
Fenstern des Zimmers gegenüber. Ich sass dem Medium
gegenüber, mit dem Rücken gegen die Fenster (was, wie
ich als Uebersetzerin hier einschalte, die beste Stellung
für die Beobachtung ist: man sieht alles, was vorgeht
in vollem Lichte und wird selbst vom Lichte nicht
geblendet). Zwischen mir und Frau Ä. sass meine Freundin
F. von Prof. S. sass dieser Dame gegenüber. Ein kleiner
Tisch stand in der Mitte des Kreises und auf diesem befand
sich in einem Etui ein grosser Krystall, worein ich das
Medium zu schauen bat. Frau Ä. that es, zuerst ganz
gleichgiltig, dann mit einem Ausdruck von Aengstlichkeit.
Plötzlich rief sie aus: „Sehen Sie doch! wie sonderbar!
Sehen Sie all diese Leute! Ach, die Kugel ist wohl so
gemacht; es werden Bilder darunter sein. Doch nein! sie
sind lebendig! Darf ich die Kugel aufheben und nachsehen?"
Sie hob den Krystall aus dem Etui und legte ihn wieder
nieder, ihn mit argwöhnischem Blicke betrachtend. Wir
baten sie, uns einige der Bilder, welche sie im Krystall
schaute, zu beschreiben. „Es sind ihrer so viele," antwortete
sie, und sie bewegen sich hin und her. Da ist ein Mann
mit kahlem Haupte, er sieht sehr freundlich aus; sein Bart
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