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Keich: Blicke in das Eeich des Uebersinnlichen. 219
sittlichen Standpunkten sich emporzuarbeiten; wozu bedürfte
es des Gewissens; wozu verfeinerten sich Gewissen,
Religiosität und Intelligenz?
Mit der sittlichen Weltordnung ist Unsterblichkeit der
Seele organisch verknüpft, und beweisen wir die eine, so
ist damit auch die andere bewiesen. Für die eine wie für
die andere ist der Nachweis durch logische Schlussfolgerung
aus den oben erwähnten Thatsachen und aus den früher
erwähnten magischen Erscheinungen zuverlässig. Andererseits
wäre eine Welt, in der moralische Prinzipien bestehen und
sittliche Beweggründe walten, ohne moralische Weltordnung
und ohne individualisirte magische Weltsubstanz in fortschreitender
Entwiekelung, ganz eigentlich Unsinn. Und
nirgends im grossen Werk der Welten ist Unsinn, nirgends
Widerspruch; nur geistig-religiöses Unvermögen imperfecter
Zweihänder sieht Unsinn in den Universen , Widerspruch
bei Gott.
§ 18. Vervollkommnung der Seelen ist im göttlichen
Plan der Kosmen bedingungslose Notwendigkeit. Vervollkommnung
setzt ein gewisses Maass von sittlicher und äusserer
Freiheit voraus und bedingt, bei ihrer selbst bewussten Seelen,
auch Verantwortung. Darum ist jede Seele mit Gewissen
versehen und für ihre Thaten bis zu einem bestimmten Punkt
verantwortlich. Im Verlaufe des Weltprozesses muss bei fortschreitender
Entwicklung der Seelen alle und jede Freiheit
zunehmen und damit auch das Maass der Verantwortung.
Jede höhere Entfaltung der psychischen Vermögen und alle
Steigerung echter moralischer Gesittung setzt Zunahme von
Freiheit und Verantwortung voraus, naturgemäss verfeinertes
Gewissen und Gleichgewicht der moralischen und physischen
Functionen.
Das Barometer dieser Veredelung ist Glückseligkeit
bester sittlicher Art. Gott hat jedoch Glückseligkeit nicht
als Weltzweck eingesetzt, sondern als Mittel zu Erreichung
der höchsten Endziele. Jede Philosophie ist falsch, welche
Glückseligkeit, und besonders jene der gemeinsinnlichen
Art, als Weltzweck erklärt; ja, selbe ist nicht allein falsch,
sondern auch verderblich, und hemmt die Erfüllung der
göttlichen Weltordnung.
Zunahme von sittlicher Freiheit und Verantwortung
hebt Person und Rasse zu edlerem Typus empor, und verbessert
nicht allein intellectuell und religiös, sondern auch
physisch und sozial Das sittlich freie Wesen ist zugleich
gesund, geistig frei, religiös und veredelt sozial. Und Entwicklung
aller bewussten Wesen in dieser Richtung begründet
moralische Weltordnung und ermöglicht des grossen
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