http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0247
Giebt es unsichtbare Wesen? 237
was eine objektive Unwahrheit wäre. Hier sehen wir also,
dass es physikalisch sehr wohl möglich ist, dass Körper
existiren können, von deren Vorhandensein uns der Gesichtssinn
trotz Mikroskop nichts meldet.
Einen schwarzen Gegenstand sehen wir aber doch,
obschon er keine Prismastrahlen reflektirt. Richtig! Der
schwarze Gegenstand reflektirt sie nicht, lässt aber auch
keine solche durchpassiren, so dass wir nicht sehen können,
was hinter diesem Gegenstande sich befindet. Daher macht
der schwarze Gegenstand in erster Reihe den Eindruck einer
Unterbrechung des Bildes, welches unser Auge aufnimmt,
und durch Schlussfolgerung kommen wir erst darauf, dass
diese Unterbrechung ein Gegenstand veranlasst.
Besehen wir uns ein leeres Glas; ist es wirklich leer?
Nein, es ist ja Luft darin. Sehen wir diese Luft? Nein;
und doch gehört die Luft nicht zu jenen Körpern, die sämmt-
liche Prismastrahlen nur hindurchgehen lassen, sondern sie
reflektirt die blauen Lichtstrahlen; daher malt uns die
Totalität der Atmosphäre das Himmelsgewölbe blau, zur
Flüssigkeit verdichtet zeigt die Luft eine bläuliche Farbe.
Wenn schon derartige Körper, wie die Luft, uns dennoch
unsichtbar verbleiben, umsomehr wird das der Fall sein
bei solchen Körpern, welche die Prismastrahlen einfach
durchdringen.
Diese nun erwiesene physikalische Möglichkeit giebt
also die grösstmögliche Wahrscheinlichkeit, dass
solche Körper auch wirklich vorhanden sind und somit sind
auch Wesen, die einen solchen Körper haben, ganz wohl
denkbar. Demgemäss kann nicht behauptet werden, dass
Wesen mit solchen Körpern nicht existiren können und
folglich auch nicht existiren, nachdem doch die physikalische
Möglichkeit dargethan ist und wir mit dem berühmten
französischen Gelehrten Arago blos in der Mathematik den
Begriff „Unmöglich" anwenden können, niemals aber in
Bezug auf das Naturstudium. Wir müssen also — namentlich
auch hinsichtlich der möglichen ethischen Konsequenzen
— mit der Möglichkeit der Existenz so organisirter Wesen
rechnen. Diese Wesen sind für uns jedenfalls übersinnlich,
doch nicht übernatürlich, da sie ihren Platz in der Natur
selbst haben.
Wenn wir nun solche Wesen als möglich bezüglich
ihrer Existenz annehmen, so fragt es sich, wo werden wir
ihnen ihren Aufenthaltsort zuweisen können oder müssen?
Auf der Oberfläche der Erde schwerlich, denn das Verhalten
ihres Körpers zu den für uns leuchtenden Lichtstrahlen
schliesst dies wohl aus; was wollen auf der Erde Wesen,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0247