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Das „Blumenmediuuj" A. Rothe verhaftet. 241
III. Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergL
Das „Rlumeiimecliiim" A. Rothe verhaftet.
Was wir längst voraussahen und auch gelegentlich
voraussagten, ist also eingetroffen: Frau Rothe, die es allen
Warnungen, sogar von Seiten ihres wärmsten Vertheidigers,
Prot Sellin, zum Trotz vorgezogen hat, anstatt sich auf
ihre (von diesem und so vielen anderen ehrenwerthen und
sachkundigen Beobachtern konstatirte) mediale Begabung
von wissenschaftlich kompetenten ßeurtheilern in einer
längeren Reihe methodisch geregelter Sitzungen ernstlich
prüfen zu lassen, statt dessen, verleitet von ihrem Berather
Jeritschj dessen Rolle uns vom Anfang des leidigen Rothe"
Streites an am meisten verdächtig erschien, ihre lediglich
dem „Geisteisport" dienenden Privatsitzungen fortzusetzen,
ist von der Nemesis in Gestalt eines schlauen Polizeikommissars
, der sich in eine solche trotz aller Vorsichtsmassregeln
einzuschleichen wusste, nun doch endlich ereilt
worden. Schon vom 22. Februar berichteten die Zeitungen
aus Berlin nach einem Artikel des „Lok.-Anz." über eine
weitere dort veranstaltete Radau Versammlung wie folgt: „Zur
„Ehrenrettung" des bekannten, kürzlich entlarvten Mediums
Anna Rothe hielt in Gratweit $ Bierhallen der bekannte
Spiritist Dr. Egbert Müller einen wissenschaftlich gefärbten
Vortrag über Medien und Apporte, und zwar im Anschluss
an eine Prüfung, die mit der Rothe vorgenommen war, um
ihre Echtheit festzustellen. „Und sie ist doch echt!" Das
war die immer wiederkehrende Variante des Redners, dessen
Ausführungen durch Heiterkeitsausbrüche und ulkige
Zwischenrufe oft unterbrochen wurden. Die angebliche Entlarvung
des Mediums hatte Herrn Dr. Müller die Ruhe
geraubt, und so lud er zum 15. Februar ausser mehreren
anderen Herren/^ueh den Hofprediger Stöcker und einen
General zu einer Prüfungssitzung mit der Rothe ein, doch
lehnten die beiden Ltetetgenannten die Einladung ab. Redner
giebt nun folgenden, Sitzungsbericht: Das Medium wurde
von einer Dame untersucht. Es trug ein dunkles Hemd,
dunklen Unterrock und Oberkleid und Taille. Nachdem es
z\vei Stunden laug Kaffee getrunken hatte, wurde es in
einen bis an dje- Hüfte reichenden Sack mit doppelten
Nähten gesteckt. Als letzterer zugeschnürt und versiegelt
war, wurde das Medium auf den Umfang seiner Taille unter-
Pgyohteohe Studien. April 1902. Iß
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