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256 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 4. Heft. (April 1902.)
der Linken ein wenig an dem todten Arme herum, namentlich
in der Gegend der Achsel, um zu erfahren, ob denn
noch keine Aenderung des Zustandes eintreten wollte. Sonst
war nämlich immer in wenigen Augenblicken alles wieder
in Ordnung gewesen.
In der besagten Stellang mochte der Arm etwa 10 bis
15 Sekunden lang gelegen haben, als ich endlich den Beginn
des Einströmens frischen Blutes in der Achselgegend verspürte
. Jetzt war es Zeit zu handeln, wenn dem gefürchteten
Schmerzgefühl, das namentlich in den Fingerspitzen unerträglich
zu werden pflegt, vorgebeugt werden sollte. Ich
helfe mir immer damit, dass ich mit der gesunden Hand
die Finger der leblosen umschliesse und nur oftmals und
rasch hintereinander bald fester drücke, bald etwas nachlasse,
so dass nur immer ganz wenig Blut in kurzen Zwischenräumen
in die Finger einströmen kann. Dieses Mittel wollte ich auch
in diesem Falle anwenden. Ich nahm also die Todtenhand
in die Linke, umschloss mit dieser die abgestorbenen Finger,
und hob, um bequemer drücken zu können, vermittelst der
Linken den ganzen rechten Arm in die Höhe, so dass die
beiden Hände sich in einem Abstände von etwas mehr wie
30 cm über der Brust befanden. Dabei hatte ich immer
noch nicht das mindeste Gefühl im rechten Arme. Nun
aber sollte ich eine Empfindung haben, die mich geradezu
mit Entsetzen erfüllte, und die mir deshalb Zeit meines
Lebens unvergesslieh bleiben wird.
Als nämlich mit dem frischen Blutstrom auch das
Gefühl langsam wiederkehrte, und ich mit der Linken, 30 cm
hoch über meiner Brust, die Finger meiner Rechten drückte,
fühlte ich diesen Druck nicht etwa da, wo sich meine rechte
Hand thatsächlich befand, sondern haarscharf an jener
Stelle, an welcher sie gelegen hatte, als der Arm kurze
Zeit quer über meiner Brust ruhte. Dies machte in gerader
Linie etwa eine Entfernung von einem halben Jdeter aus.
Es war, als ob ich drei Arme besässe: den gesunden Linken,
mit dessen Fingern ich einen Druck ausübte, den todten
Rechten, dessen Finger ich mit der Linken 30 cm über der
Brust umspannte, und der noch immer vollständig kalt
und empfindungslos war, und endlich einen imaginären
rechten Arm, den ich direkt, wie auf der Brust aufliegend
verspürte, so dass dessen Hand, wie schon erwähnt, etwa
*/2 m von der wirklichen rechten Hand entfernt zu liegen
schien. Drückte ich die todten Finger der wirklichen rechten
Hand, so empfand ich den Druck nicht in dieser, sondern
in den imaginären Fingern der Hand meines „dritten
Armes." Liess ich mit dem Drucke nach, so Hess auch das
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