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Wagenmann: Drei Arme am Leibe!
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Druckgefühl in den imaginären Fingern nach. Ebenso verspürte
ich das Schmerzgefühl des einströmenden Blutes
nicht in der wirklichen Hand, sondern in der imaginären.
Diese Erscheinung, dauerte in ihrer ganzen Stärke etwa
10 bis 15 Sekunden, dann verpflanzte sich allmählich der
Sitz des Grefühls in den wirklichen Arm, unter gleichzeitigem
entsprechendem Schwächerwerden und schliesslichem Verlöschen
der Empfindung eines imaginären Gliedes. —
* *
*
Nachdem mein rechter Arm endlich wieder in Ordnung
war, suchte ich natürlich sofort nach einer Erklärung für
das gehabte Phänomen. Ich erinnerte mich der bekannten
Thatsache, dass Personen, denen ein Glied amputirt wurde,
unter gewissen Umständen das verlorene Glied noch fühlen,
als ob es an der richtigen Stelle sässe. Indessen lag die
Sache in meinem Falle doch wesentlich anders, denn hier
war ja das unverletzte Glied mit allen seinen Nerven noch
vorhanden. Ueberdies lag in meinem Falle der Ort meiner
Empfindung nicht in der natürlichen Verlängerung eines
Nervenstrangs, sondern ganz abseits, in einer total veränderten
Richtung.
Bald nahmen andere Interessen mich in Anspruch,
so dass ich eigentlich erst wieder über die räthselhafte
Empfindung nachdachte, als ich Anhänger des Spiritualismus
geworden war und ich die Sache von ganz neuen
Gesichtspunkten aus betrachten lernte. In Folgendem werde
ich bemüht sein, die dabei gewonnenen Resultate klarzulegen.
Nach spiritualistischer Anschauung enthält jedes Organ und
jedes Glied unseres Körpers ein entsprechendes seelisches,
für normale Sinne nicht wahrnehmbares Glied, bezw. Organ,
das dem „Astralleib" angehört, welcher den materiellen
Leib erst zu einem lebendigen Leibe macht. Mit vollem
Rechte kann also der dem ßlutumlauf entzogen gewesene
rechte Arm als gestorben bezeichnet werden, da der „seelische
Arm« offenbar ausser Kontakt mit ihm gewesen war, und
ihn nicht mehr beherrschte. Dabei konnte aber räumlich
der seelische Arm noch recht wohl im materiellen Arm
enthalten gewesen sein, zumal ersterer ja sicher noch im
innigsten Zusammenhang mit dem übrigen seelischen Körper
stand, und da überdies kein veranlassender Wille vorlag,
der den seelischen Arm hätte zwingen können, aus dem
materiellen herauszutreten. Jedes einzelne seelische Atom
des Armes hatte nur eben aufgehört, auf seine materielle
Hülle belebend einzuwirken, weil blos bei unausgesetztem
Blutumlauf eine Bindung der seelischen Atome an die
Psychische Stadien. April 1902. 17
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