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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 269
Sinnenwelt, dessen Fähigkeit, sich über dieselbe zu erheben,
sie zu beherrschen, sie umzuformen. Wie sehr sprachen ihr
diese Männer nicht aus dem Herzen! Und aus diesem
Enthusiasmus heraus schrieb sie, ganz wie Tacitus seiner
Zeit seine „Germania" geschrieben hatte, ihr Buch „De
VAllemagne", um dadurch ihren Landsleuten an einem
grossen Beispiele sittliche Reinheit und geistige Frische zu
zeigen." *)
Auch für den Okkultisten, besonders aber für den
Mystiker, resp. Theosophen ist manches wichtig und be-
merkenswerth in Madame de StaeH Buch „Ueber Deutschland."
Was ihr am meisten an den Romantikern gefällt, ist eben
ihre Hinneigung zum Mystizismus, und wie bei Wackenroier,
erzeugt auch bei ihr „nur aus den zusammenfassenden
Strömen von Kunst und Religion sich die schönste Lebensform
." Wie die Romantiker schwärmt sie fürs Mittelalter
und will jede wirkliche Moral auf Metaphysik begründet
sehen. Sie sagt: „Wenn das Mysterium des Alls über unsere
Fassungskraft geht, so giebt doch das Studium dieses
Mysteriums dem Geiste einen grösseren Umfang. Es ist in
diesem Falle mit der Metaphysik, wie mit der Alchemie:
indem man den Stein der Weisen sucht und das Unmögliche
zu entdecken strebt, findet man unterwegs Wahrheiten, die
uns andernfalls unbekannt geblieben sein würden." Sie
bemerkt sehr richtig, dass man sogar den exakten Wissenschaften
nicht auf den Grund gehen könne, ohne auf das
Unendliche und Ewige zu stossen. Anstoss nimmt Frau v. Stael
an dem Pantheismus, dessen Unsterblichkeit durchaus dem
Tode ähnle, und sie erklärt, diese Art von Immortalität
sei im Grunde nichts anderes, als die materialistische
Ewigkeit des Stoffes. Viele Irrthümer beruhen, so meint sie
mit Recht, auf verstümmelten Wahrheiten, welche im Dunkel
der Zeiten verlorene Thatsachen oder unentdeckte Kräfte
der Natur zur Grundlage haben. Mit besonderer Hochachtung
nennt sie zum öfteren Schelling, Ritter, Steffens, Baader und
Schuberts: „Ansichten von der Nachtseite der Natur;a ebenso
glaubt sie an Wirkungen in die Ferne und lobt die Beschäftigung
dieser genannten deutschen Gelehrten mit dem
thierischen Magnetismus, welche nothgedrungen dahin führe,
zuzugeben, „dass der menschliche Wille, ohne jeden äusseren
Akt einen grossen Einfluss auf die Materie44 und namentlich
auf die „Metalle" ausübe. Unzweifelhaft spielt unsere Verfasserin
mit Letzterem auf die Rhabdomantie (Stabwahrsagung
— Wünschelruthe) an; war doch besonders durch
*) G. Brandes: „Die Emigrantenlitteratur* I, 229.
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