http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0286
276 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1902.)
extremen Vaterrechts und lautete: Das Schöpfende, das
hinter der Natur steckt und diese bewirkt, ist ein Vater
(pater — von frater,*) zur Zeit des Mutterrechts: Bruder).
Die dritte Antwort war: Vater und Mutter zusammen sind
die Schöpfer, Nunmehr entstand der Dualismus mit seinem
TJebergewicht des Vaterrechts, —
Durch die Wiedergeburt des Materialismus im modernen
Zeitalter ist die Idee von der „Materie" als der „ewig
schwangeren Mutter, die alle Dinge gebärt" (G. Bruno) wieder
in den Vordergrund getreten. Auch ist mit dem neuen
Erblühen des echten Spiritualismus (Aetherialismus [? —
Red.], nicht Idealismus) dieser passiven Weltmutter wieder
ein aktiver Weltvater unter dem alten symbolischen Namen
„Spiritus" (zuerst der lebenerzeugende Athem des Sonnengottes
, dann der Weltvater selber) hinzugefügt.**)
*) Es scheint uns hier nur Verwandtschaft, nicht Abstammung
vorzuliegen. Nach G. Cnrtiiis (Grundzüge der Etymologie, I, S. 235 und
267,1. Aufl.) ist pater (Sanskr. pi-tä st. pi-tar, Griech. xa-rrjQ. Goth.
fa-dar, ahd. fater, nhd. Vater) von dem Sanskritverbum pä = nähren,
schützen, erhalten (das i in pitar spez. indische Schwächung aus o)}
dagegen frater (Sanskr. bhrä-tr aus bhrä-tar, Griech. tyQa-tijQy
Goth. bröthar, ahd. bruödar) von Wurzel <psQ im Sinne von sustentare,
nutrire = erhalten, ernähren abzuleiten, woher auch Sanskr. bhar-tr
= maritus (Ehemann) stammt. Merkwürdig ist allerdings die ursprünglich
blos politische Bedeutung des Worts im Griechischen (efr.
(pgdrcoQ = Theilnehmer an einer (pgargla^ brüderliche Geschlechtsgenossenschaft
.) — Red.
**) In seinem uns leider erst nachträglich zugänglich gewordenen,
in unserer nächsten Fussnote erwähnten Buch (das übrigens — was
uns der Herr Verf. verschwiegen hat — nur ein Abdruck seiner
schon 1900 in den „Internat. Bl. für Spir." erschienenen Artikel ist)
erklärt Verf. Spiritus, Wärme und Männlichkeit (im Gegensatz zu
Kälte und Weiblichkeit Materie) für wesentlich identische Kräfte
und sagt dann S. 9 wörtlich: „Spiritus hatte eine von Geist weit
entfernte Entwicklung: zunächst A t h em bedeutend, wurde es
Bezeichnung für das vom Sonnengotte der Erde zugepustete Lebenselement
(der gestrahlten Wärme), das er dem Erdenklosse einblies,
um einen Menschen daraus zu machen. (Der Spiritus Gottes und
schliesslich Gott der Spiritus: alles Symbole für den alten
Wärmestoff, heisst es Seite 46). — Nach seiner in Amerika schon seit
1883 bekannt gegebenen „neuen Theorie der Geister" nähren sich
die jüngeren Geister hauptsächlich vom Dunst der Speisen und
Getränke bei den Mahlzeiten ihrer Fieunde (resp. als „Gäste" beim
Opferschmaus), wobei Verf. direkt aus dem Mund seiner „gelehrten
Geisterfreunde" (darunter Zöllner]) bestätigt erhalten haben will, dass
zu ihrem Wachsthum ebensowohl Stoffwechsel nöthig sei, als zu
unserem. „Die Geister in die Retorte thun und ihre Substanz analy-
siren, führt schneller zum Ziele, als alle psychologischen Studien
zusammen genommen" (S. 19.) und wird dadurch erleichtert, dass
wir „mittelst isolirender Glasplatten das Zimmer geisterdicht
machen können, um unsere Seancen vor den vielen heim-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0286