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282 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1902.)
chemischer Suhstanzen in gemässigter Temperatur am
günstigsten gestaltete, z. ß. beim Zusammenspülen auf dem
Grunde seichter Gewässer, da ging die Ausgleichung immer
höher und höher, bis ein Schleimzustand erreicht wurde.
Ob man den Körper in diesem Zustande schon einen
organischen nennt, oder ob man damit wartet, bis der
„Urschleim** Glieder entwickelt, ist gleichgültig, denn einen
von der Natur festgestellten Punkt zwischen unorganischem
und organischem Leben kann es dem Wesen der Sache nach
(wie logisch schon a priori einleuchtet) nicht geben. Die Zu-
spülung allein genügt nicht mehr; der Schleimkörper bewegt
sich nach gewollten Substanzen hin und nimmt sie auf in
seinen Ausgleichungsprozess, oder er streckt nur Theile von
sich entsprechend lang aus, um sie herbei zu holen, und damit
hat dann die Entwickelung der Organe und das organische
Leben begonnen. Auch polarisirt er sich durch die Anziehungen
von kaltem Norden und warmem Süden, theilt sich auf
der indifferenten Mitte und beginnt dadurch die Fortpflanzung.
Polarisation, Anziehung und Abstossung, verbunden
mit der Ausgleichung von antipolaren Zuständen, wie alles
schon an zwei entgegengesetzt elektrischen aufgehängten
Kugeln beobachtet werden kann, genügen, um diesen Prozess
zu begreifen. Durch weitere Anpassung an die zu über-
windenden Schwierigkeiten des Zusammenbringens der zur
Ausgleichung strebenden Zustände und Substanzen entwickeln
sich die höheren Organe. Es ist hier nicht nöthig,
die Entwickelung des organischen Lebens weiter zu verfolgen;
die empirische Entwickelungslehre giebt darüber Aufschluss,
aber sie schliesst Ursache und Wirkung dieses Prozesses
nicht ein. Da der Ausgleichungsprozess im Allgemeinen
keine Eücksprünge machen kann, sondern immer vorwärts
gehen muss, einem bestimmten Ziele zu, so kann man die
Sache so ausdrücken: Die Ursache des vielgestaltigen Lebens
ist die bestehende Inaequilibrität im theilweisen Weltzustande,
und die letzte Wirkung dieses Lebens ist die Herstellung
des Kräftegleichgewichts, des Indifferenzzustandes
des Stoffs. Während des Lebens wird im
organischen Körper durch die vielseitige Ausgleichung der
mannigfaltigen eingeführten Substanzen unter dem anzündenden
Einflüsse gemässigten Sonnenlichts eine dem Körper
innewohnende »Substanz produzirt, welche beim Sterben die
härteren Theile durchdringt und als das Produkt des ausgleichenden
Lebensprozesses als selbstständiger Körper weiter
existirt und dann ein Geist genannt wird, den wir trotz
seiner Unsichtbarkeit im nächsten Artikel uns etwas näher
ansehen wollen. (ScMuss folgt.)
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