Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
29. Jahrgang.1902
Seite: 292
(PDF, 221 MB)
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292 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1902.)

gar in den Bereich der Dichtung fallen. Dem gegenüber
ist es nun sehr wichtig, zu wissen, was Goethe selbst an
Zelter (1830) geschrieben hat: „Was den freilich einigermassen
paradoxen Titel der Vertraulichkeiten aus meinem Leben
„Wahrheit und Dichtung" betrifft, so ward derselbige durch
die Erfahrung veranlasst, dass das Publikum immer an der
Wahrhaftigkeit solcher biographischen Versuche einigen
Zweifel hege. Diesem zu begegnen, bekannte ich mich zu
einer Art von Fiktion, gewissermassen ohne Noth, durch
einen gewissen Widerspruchsgeist getrieben." Und zu
Eckermann hat Goethe gelegentlich geäussert: „Ich nannte das
Buch „Wahrheit und Dichtung", weil es sich durch höhere
Tendenzen aus der Begion einer niederen JJealität erhebt,"
Von einer Anzweifelung der Wahrheit der biographischen
Einzelheiten kann also gar keine Rede sein. —

Um gleich bei „Wahrheit und Dichtung" zu bleiben,
so ist aus dem elften Buche eine Aeusserung nachzutragen,
welche Goethes Glauben an magische Wirkungen bestätigt
. Der Dichter hatte in Strassburg Beziehungen zu
zwei Schwestern (den Töchtern seines französischen Tanz-
meisters) gehabt, von denen jede gern allein im Besitze
des Freundes gewesen wäre. Genug, es kam zu einer Scene,
bei welcher Lucinde ihn ganz eigentlich beim Kopf fasste
und zu wiederholten Malen auf den Mund küsste. „Nun",
rief sie ihrer Schwester zu, „fürchte meine Verwünschung!
Unglück über Unglück für immer und immer auf diejenige,
die zum ersten Male nach mir diese Lippen küsst! Wage
es nun wieder mit ihm anzubinden! ich weiss, der Himmel
erhört mich diessmal." Mit Bezug auf diesen, schon im
neunten Buche erzählten Vorfall sagt nun Goethe: „Seitdem
jenes leidenschaftliche Mädchen meine Lippen verwünscht
und geheiligt — denn jede Weihe enthält ja beides —, hatte
ich mich, abergläubisch genug, in Acht genommen, irgend
ein Mädchen zu küssen, weil ich solches auf eine unerhörte
geistige Weise zu beschädigen fürchtete.... Meine Lippen,
geweiht oder verwünscht, kamen mir bedeutender vor als
sonst, und mit nicht geringer Selbstgefälligkeit war ich
mir meines enthaltsamen Betragens bewusst, indem ich
mir manche unschuldige Freude versagte, theils um jenen
magischen Vorzug zu bewahren, theils um ein harmloses
Wesen nicht zu verletzen, wenn ich ihn aufgäbe." Goethe
flicht hier allerdings das Wort „abergläubisch*1 ein, woraus
man, wenn man sonst nichts wüsste, schliessen könnte, dass
er später über allen Glauben an magische Dinge erhaben
war. Wie er aber während seines langen Lebens und bei
der Vielseitigkeit seines Geistes über verschiedene Dinge be-


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