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Leadbeater: Irrige Ansichten über den Tod. 301
sinnlicher Begierden irgend welcher Art. Nehmen Sie ein
recht auffallendes Beispiel, einen Trunkenbold. Wir wissen
alle, wie schrecklich diese Leidenschaft ist, wie der von ihr
Ergriffene alle seine besseren Empfindungen zu verlieren
scheint, wie alles dagegen zurücktritt, sein Gefühl der Ehre,
seine Liebe zu seiner Familie, seine Selbstachtung. Er
verkauft womöglich selbst die Kleidung seines Weibes und
seiner Kinder, er überlässt sie dem Elend und dem Hunger,
damit er Geld bekommt, um sich seiner schrecklichen Leidenschaft
hingeben zu können. Wenn Sie jemals ein Heim (Asyl)
gesehen haben, das sich der Trinker annimmt, dann werden
Sie den schrecklichen Kampf kennen, den ein Mensch zu
bestehen hat, wenn er diese Leidengehaft besiegen will.
Gesetzt solch ein Mensch stirbt, und bedenken Sie, dadurch
ändert er sich nicht. Die schreckliche Begierde ist noch in
ihm, ja womöglich noch mächtiger, als vorher; da er keinen
physischen Körper mehr hat, kann er sein Verlangen nicht
befriedigen; der Körper, mit dem er getrunken hatte, ist
fort. Nun werden Sie wohl einsehen können, was das Fegefeuer
auf sich hat; das wird für den armen Unglücklichen
zur Zeit eine wirkliche Hölie sein. Aber Sie sehen auch
ein, dass dies keine Strafe ist, die ihm von aussen auferlegt
wird; es ist die natürliche Folge seines eigenen Handelns,
die Folge eines unabänderlichen Gesetzes, des Gesetzes von
Ursache und Wirkung, das wir hier auf Erden sehr gut
kennen, nur dass wir es in diesen höheren Regionen anzuwenden
lernen müssen. Der Mensch hat in sich selbst diese
starke Begierde gross gezogen. Wenn er ihr nicht sein
Leben lang immer nachgegeben hätte, dann würde sie nicht
so stark geworden sein. Er selbst hat sich seine Lage
bereitet, nun muss er sie erdulden, so schrecklich sie ist.
Aber nun beachten Sie — schrecklich mag sie sein, aber in
Wirklichkeit sind die Leiden ein Segen für den Unglücklichen
. Sie mögen das auf den ersten Blick nicht begreifen,
wenn Sie aber die Idee der Wiederverkörperung festhalten,
werden Sie es sofort einsehen. Gesetzt der Mensch hätte
auf irgend eine Weise diese schreckliche Leidenschaft noch
behalten, sie bildete noch einen Theil von ihm, wenn er
seiner Zeit zum physischen Leben zurückkehrt, was würde
die Folge sein ? Er würde wieder als Trinker geboren werden,
geboren mit dieser schrecklichen Begierde, und ihr nachgeben
, lange vordem er alt genug geworden ist, um einzusehen
, dass er versuchen müsse, seine Leidenschaften zu
bekämpfen. Er würde absolut unter der Herrschaft dieses
scheusslichen Lasters stehen und keine menschliche Macht
könnte den Mann irgendwie retten oder ihm helfen.
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