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Maier: „Wie es bei den Spiritisten zugeht."
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ihrer Kunden im Interesse ihrer armen Kinder ausgebeutet
habe. — Mit welcher Vorsicht freilich derartige Mittheilungen,
besonders in auswärtigen Pressorganen, aufzunehmen sind,
beweist uns ein Artikel des belgischen Spiritistenjournals
„Le Messager", der vom „Wüthen Wilhelms IL gegen die
Spiritisten" spricht und (in Nr. 19) dem Abdruck des Aufrufs
des Pariser Internat, psychischen Instituts (s. Aprilheft
S. 259 ff.) die naive Frage voranschickt, warum jene Mitglieder
der Akademie der Wissenschaften ihre Nachforschungen
über Medien nicht mit der berühmten Eusapia
Palladino oder der vielgenannten Mme. Anna Rothe beginnen.
Als ob Letztere sich hätte bereit finden lassen, der von
Herrn Dr. Bormann in der „Gebers. Welt" und auch von
uns wiederholt an sie gerichteten Aufforderung hiezu jemals
Folge zu leisten! Hoffen wir, dass den Ehrlichen unter
den Offenbarungs - Spiritisten durch solche Vorkommnisse
endlich die Augen darüber aufgehen, wie sehr sie durch
solche Verblendung gegenüber betrügerischem Schwindel der
ihnen heiligen Sache schaden.
Einen deutlichen Beweis hiefür liefert das schroffe Ur-
theil, das neuestens wieder eine anerkannte Autorität auf
psychologischem Gebiete infolge dieser Berliner Vorgänge
über die Tagesfrage des Spiritismus fällen zu müssen
glaubte, worüber ein Feuilleton der „Frankf. Zeit." vom
7. April seinen Lesern erzählt: Der frühere Vorstand der
psychiatrischen Klinik in Wien, Universitätsprofessor Hofrath
Dr. Richard Freiherr v. Krafft-Ebing, der in einer Reihe
fesselnder Bücher die Krankheiten der Zeit auch für die
grosse Laien weit behandelt hat, verlässt in wenigen Tagen
Wien, um sich mit der Armee seiner Bücher nach Graz
zu konzentriren. . . Ein Mitarbeiter des „Wiener Fremdenblattes
" hat den ausgezeichneten Gelehrten besucht und
berichtet darüber wie folgt:
Wovon spricht man in diesem geistigen, man darf
schon schreiben psychiatrischen Milieu? Von psychiatrischen
Problemen. Die Gesundbeter, die im sonst so aufgeweckten
Spree-Athen grassiren, sind nach Krafft-Ebing Opfer
weiblicher Hysterie. Gläubige, ehrlich und aufrichtig Gläubige
, weibliche Gemüther werden durch die Hysterie auf
Abwege gebracht und ziehen Andere mit. Das sind die
Guten in der wachsenden Gemeinde der Gesundbeter. Die
Bösen nützen das Gesundbeten zu leichtem Erwerb aus.
Ein Wort giebt das andere. — Der „Fall Rothe" hat das
Publikum viel beschäftigt. Wie man weiss, hat die Rothe
Blumen aus der Geisterwelt hervorwachsen lassen, bis die
so nüchterne Polizei die Schwindlerin einzog. Mit der
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