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Litteraturberlohi
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treibe*! Auch der sog. „wissenschaftliche* Theil derselben habe
„den von Jentsch und Seitin fabrizirten Berichten nicht nur jubelnd
Thür und Thor geöffnet, sondern auch systematisch die Aufdeckung
des Schwindels totgeschwiegen"! Er beruft sich dabei auf Briefe
zweier bekannter okkultistischer Redakteure, in denen diese erklären,
sie dürften nichts über die Entlarvung der Rothe bringen, weil sie
sonst ihre Leser verlieren würden! Das sei nicht mehr Vorsicht,
sondern Unehrlichkeit; denn Existenzen, wie Rothe und Jentsch,
könnten nicht gedeihen, wenn sie nicht eine sie beschützende Presse
hätten. Die moralische Schuld des jßo/Ätf-Skandals treffe daher
in erster Linie die okkultistische Presse und ihre Verleger.
Dieser ganze Ausfall (der aus leidigen persönlichen Erfahrungen
einigermaassen begreiflich erscheinen mag) beweist uns von neuem,
wie sehr Herr Dr. Bohn in seinem an sich löblichen Eifer im Kampf
um Wahrheit und Eecht über das Ziel hinaus zu schiessen pflegt.
Obschon Unterzeichneter kaum annehmen kann, dass dieser schwere
Vorwurf auf den Red. der „Psych. Stud." abzielt, dem Herr Dr. Bohn
noch vor wenigen Tagen (am 27./III. er.) unter Versicherung seiner
alten „Freundschaft und Verehrung" schrieb, er hoffe, dass „die ganze
Roihe-AHaiTe nur als reinigendeb Gewitter gewirkt hat und jetzt ein
rechter Osterfrühling für alles Wahre, Gute und Schöne hereinbricht
", mag gegenüber den von anderer Seite gegen uns erhobenen
maasslosen Beschuldigungen unsere Stellungnahme zu diesem traurigen
Fall nochmals öffentlich festgelegt werden. Die „Psych. Stud."
haben lediglich im Interesse der okkultistischen
Wissenschaft beide Parteien in allen wesentlichen Punkten
unverkürzt zum Wort kommen lassen und damit gewiss zur Klarlegung
der Wahrheit durch eingehende Erörterung aller pro und
contra sprechenden Momente nicht wenig beigetragen. Von dem
Impresario Jentsch haben wir, eben weil uns seine Angaben von Anfang
an in hohem Grade verdächtig erschienen, trotz seines wiederholten
Drängens, niemals einen Bericht oder auch nur eine Entgegnung
zugelassen. Die Berichte der* Herrn Prof. Sellin konnten
wir schon deshalb nicht zurückweisen, weil wir selbst ihn auf Veranlassung
von Dr. Bohn. der uns nach Seflin's Besuch in Breslau
schrieb: „Sellin ist ein Prachtmensch, der uns viel nützen wird",
um Uebernahme der mit viel Mühe und Kosten verbundenen Prüfung
des Mediums ersucht hatten. Unserer Missbilligung des von Ihm
angeschlagenen leidenschaftlichen Tons und seiner unkritischen Vertrauensseligkeit
gegenüber den eigenen Angaben des inkriminirten
Paars haben wir dabei in unseren fortlaufenden Fussnoten und
Zwischenbemerkungen, obschon dieselben den grössten Unwillen des
Verf. erregten, stets scharfen und unzweideutigen Ausdruck verliehen.
Was das Verhalten des Herrn Verlegers betrifft, der allerdings wie
jeder andere Verleger, sei es irgend einer Tageszeitung oder
einer exakt wissenschaftlichen Zeitschrift, in seinem Geschäftsinteresse
auf die Wünsche seiner Abonnenten Eücksicht zu nehmen hat,
so habe ich, im Gegensatz zu Herrn Dr. Bohn, stets den Eindruck
gehabt, dass Herr Mutze sen., der seit 40 Jahren in der spiritistischen
Bewegung steht, in zahlreichen Sitzungen mit Frau Rothe,
wie so viele andere ehrenwerthe Personen, von der Echtheit ihrer
Mediumschaft eine unerschütterliche Ueberzeugung gewonnen hatte,
für welche energisch einzutreten ich ihm nicht verargen konnte, obschon
ich sie nicht theilte und daher schwere Kämpfe über diese
Meinungsverschiedenheit mit ihm zu bestehen hatte. Trotzdem
habe ich eh aber stets durchgesetzt, dass alle mir bekannt gewordenen
Enthüllungen über neue Verdachtsmomente rechtzeitig zur Kennt-
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