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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc.
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.nd dieser Mystizismus endete nur zu oft im Schosse der
illein selig machenden katholischen Kirche: extra ecclesiam
mlla salus! Das Heimweh nach der verlorenen Heimath,
;on dem der als Lyriker so hochbedeutende Romantiker
'Hchendor/f ein Mal spricht, ist ihnen nur zu oft ein
Heimweh nach dem weihrauchgeschwängerten katholischen
)ome: „das ist der Anfang aller Poesie, den Gang und
Üe Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft wieder
aufzuheben und uns wieder in die schöne Verwirrung der
Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen
i^Jatur zu versetzen ,a sagt Friedrich Schlegel, und so wird
'enn auch die Vernunft todt geschlagen und die Willkür,
lie phantastische Laune zur Herrscherin erhoben. Die
«flexionslose Poesie schien ihnen mit einem schrankenlosen
alauben zu vereinen zu sein, und sie suchten einen Bund
der Kirche mit den Künsten herzustellen. Natürlich folgte
;us diesen Ansichten eine tiefe Hinneigung zu der Zeit, wo
:lie8 Alles der Fall gewesen zu sein schien: zu dem Mittelalter
und seinen ritterlich-pfäffisch-reaktionären Tendenzen *)
Scharf prägt sich diese Vorliebe in einem Gedichte
W. A. Schlegel''s aus:
Ein Ritterthum schuf Kämpfer zu Genossen;
Für einen Glauben wollten alle streiten,
Die Herzen waren einer Lieb' erschlossen:
Da war auch eine Poesie erklungen,
In einem Sinn, nur in verschiedenen Zungen.
Nun ist der Vorzeit hohe Kraft zerronnen,
Man wagt es, sie der Barbarei zu zeihen.
Sie haben enge Weisheit sich ersonnen,
Was Ohnmacht nicht begreift, sind Träumereien.
Die beste Antwort, aus welchem Empfinden heraus die
Romantiker oft Reaktionäre waren, giebt, nach unserem
Dafürhalten, Hermann Hettner} wenn er sagt**): „Ein
Romantiker ist nicht ein Reaktionär kurzweg, sondern ein
*) Im Winter 1303-1804 hielt J. W. Schlegel in Berlin Vor-
lesungen: „lieber die Bildung des neueren Europa oder das sogenannte
Mittelalter/ IL f/aynt in seinem vorzüglichen Werke: „Die romantische
Schule* (1870) g. 283 urtheilt darüber scharf und treffend: „Weit
enifernt, das Mittelalter zu zeichnen, wie es war, idealisirt er es in
eben dem Maasse, als es von den einseitigen Lobern der Gegenwart
misskannt worden war. . . So entschlüpft ihm, nachdem er die Noth-
wendigkeit der Kreuzzüge aus dem Antagonismus des orientalischen
und des occidentalischen Religionsprinzipes nachgewiesen, ein Bedauern
darüber, das« der europäisch-christliche Patriotismus heutzutage
verschwunden sei; und es fehlt wenige dass er nicht den
Kreuzzug gegen die Türken predigte. Die Religionskriege sind ihm
der stärkste Beweis von der Gewalt der Ideen, sie scheinen ihm
gerade die rechten Kriege zu sein, welche der Menschheit die meiste
Khre machen." Das genügt, denken wir. —
**) B. Hettner; nl)ie romantische Schule in ihrem Zusammenhange
mit Goethe und Schüler*
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