http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0348
338 Psychische Studien, XXIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1902.)
Reaktionär aus Doktrin und Bildung; er will nicht das
Alte, blos weil dies alt und hergebracht ist und vielleicht
seinem äusseren Behagen und Vortheil besser zusagt. Er will
es, weil die fertigen, fest abgeschlossenen und sinnlich greifbaren
Gestalten und Formen der abgestorbenen Vergangenheit
ihm unendlich gemüthlicher und poetischer dünken,
als das erst werdende Neue, das der rathlosen Phantasie
nirgend greifbare und feste Anhaltspunkte zu bieten weiss."
Natürlich erklärt das nur die Art ihres poetischen Schaffens,
entschuldigt aber nicht die krasse Rückwäi tserei, der manche
Romantiker in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht
huldigten. Gerade die Beschäftigung mit dem Mittelalter
aber brachte auch manches Gute zu Tage; so das lebhafte,
intensive Verstandniss der Romantiker für übersinnliche
Thatsachen: Alchymie, Astrologie, Ahnungen, Wahrträume,
Doppelgängerei, Spuk, Vorspuk, Magnetismus, Hellsehen,
Praexistenz, Gebetserhorungen, Fernwirkungen u. s. f. Derselbe
A. W. Schlegel tritt (mit Bailli und W. Jones) für das
Vorhandensein der neuerdings wieder vielbesprochenen
Atlantis, des untergegangenen Urlandes einer verschwundenen
Mutterrasse ein und schreibt („Werke" I, 296): „Man
gebe mir irgend einen beliebigen Volksaberglauben, und ich
will nachweisen, dass er in seinem Ursprünge auf einer
philosophischeren Grundlage ruht, als die oberflächlichen
Argumente, deren man sich zu seiner Widerlegung bedient
hat, und dass der Irrthum nur in der willkürlichen und
schlecht verstandenen Anwendung eines im Grunde wahren
Prinzips liegt." Am 13. August 1838 schreibt Schlegel (aus
Bonn) an die Herzogin von Broglie unter anderem: „Ich
wollte die Mystiker kennen lernen, diese Taucher in die
Tiefe des Gefühls, die zuweilen Perlen aus den Tiefen des
Meeres heraufbringen, und die Theosophen, welche die Lehren
des Christenthums in die ganze Welt eingeprägt sehen. Es
finden sich in der That Goldkörner unter ihren Schriften,"
Unter Theosophen versteht Schlegel hier natürlich nicht
den modernen Pseudo-Buddhismus, sondern die christliche
Theosophie eines Jakob Böhme und der ganzen Böhmistischen
Schule der /. G. Gichtel, Oeünger, Poräage, Jane Leade, Pierre
Poiret und endlich Pasqualis Martinez (1715—1779). Dieser
wurde 1766 in Bordeaux mit de Saint Martin, der damals
Offizier beim Regiment Foix war, bekannt und weihte ihn
in die Lehren Böhme'* ein; durch Saint Martiris „ombleme
quaternaire" wurde aber wieder Baader in die Lehren des
,,philosophus teutonicus", welchen Ehrenname Böhme von dem
Alchymisten Dr. Balthasar Walter (f 1652) erhalten hatte,
eingeführt _ (Fortsetzung folgt.)
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0348