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Wenzel-Ekkehard: Thiere als Boten des menschlichen Willens. 349
Die Erklärung dieses seltsamen Vorganges sollte mir
ein zugeflogener weiblicher Kanarienvogel finden helfen.
Anfangs scheu, war er durch liebevolle Pflege so weit gebracht
, dass er ein munteres Wesen zeigte. Doch wir
bemerkten bald, dass er nur in meiner Frau und
meiner Gegenwart lustig blieb. War eins von uns beiden
fort, da sass er meist still im Bauer, oder, wenn er doch
in der Stube herumflog, dann beschäftigte er sich auch
still für sich. Plötzlich wurde er jedoch munter, sprang
unruhig hin und her und piepte auf eine eigenartige
Weise. Und das war fast regelmässig eine halbe Stunde
vor Eintreffen der zu erwartenden Person. Auch eine
Freundin meiner Frau, die sich nach dem Zufliegen sehr
viel mit ihm beschäftigt hatte und zu welcher er denn auch
ein besonderes Zutrauen gefasst (während er fremde Personen
floh), meldete er uns auf die gleiche Weise an.
Ohne Zweifel liegt hier telepathische Beeinflussung
vor, und telepathische Beeinflussung war es
auch, welche die Krähe vor das Fenster des Bruders trieb *)
Das Thier wird kaum gewusst haben, was es that, sondern
wird einem innern Drange gemäss gehandelt haben, etwa
wie ein Hypnotisirtgewesener einen posthypnotischen Befehl
ausführt. Wenn gewisse Leute in dem Thier die verwandelte
Seele der Verstorbenen selbst suchen, so ist das eine naive
Auffassung, die wohl die Wirkungen sieht, aber eine Erklärung
der Ursache nicht finden kann.
Ueberall in der Welt giebt es derartige lebendige
Symbole für aussergewöhnliche menschliche
sei ihr etwa 14 Tage vor dem am 2. Mai 1900 erfolgten jähen Tod
unseres Sohnes Karl, der als Einjährig-Gefreiter plötzlich an Blutvergiftung
starb, im Garten gegenüber dem Fenster des Letzteren
ein den Boden aufgrabender ihr unbekannter Vogel aufgefallen, der
am folgenden Tag um dieselbe Zeit (Mittags zwischen 12 und 1 Uhr)
dort wiederkehrte und von meinem Sohn, den sie dann darauf aufmerksam
machte, als Käuzchen erkannt und verscheucht wurde,
während ein solches ebendort wenige Tage vor dem Ableben ihrer
Mutter sich schreiend herumtrieb und ich selbst schon vor mehreren
Jahren in Stuttgart einen solchen „Unglücksvogel* kurz vor dem
Verlust eines lieben Kindes sogar in meinem 3 Treppen hoch in
einer der belebtesten Strassen der Stadt gelegenen Studierzimmer
zu meinem nicht geringen Erstaunen hereinfliegen sah. — Ein
objektiv giltiger Beweis dafür, dass eine derartige, allerdings sehr
auffallende und daher subjektiv wirksame Koincidenz nicht auf
bloss zufälligem Zusammentreffen beruht, kann selbstredend auf
wissenschaftlichem Wege nicht wohl erbracht werden. — Dr. Fr. Maier.
*) Wer denkt da nicht an Schillers „Kraniche des Ibykus?"
„Von euch ihr Kraniche dort oben,
Wenn keine andre Stimme spricht,
Sei meines Mordes Klag' erhoben !*
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