http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0362
352 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1902.)
wie im alten Hellas. Es war ein schöner Tag und ein
prächtiges Schauspiel — das ruhige Meer und die Apenninen
im Hintergrunde. Da geschah das Merkwürdige. Ein
kleiner Vogel umschwebte den Scheiterhaufen und
Hess sich nicht verjagen. Die Flamme stieg hoch und
golden empor. Der Leichnam wurde verzehrt, aber zur
Verwunderung aller blieb das Herz unversehrt und Trelatvney
entriss diese Reliquie dem glühenden Herde und verbrannte
sich die Hand dabei. —
War es die Seele Shelley*'s, die sich in dem kleinen
Vogel nochmals materialisierte, um den Anwesenden ihr
Einverständniss mit dieser ßestattungsart zu zeigen, oder
was beeinflusste, was ja an sich wahrscheinlicher klingt,
die Psyche des Thieres für diese Willenskundgebung? Dieser
Vorgang, den ich nach Georg Brandes Buch „Der Naturalismus
in England** eitire, enthält übrigens eine ganze
Komplikation von Willenskundgebungen des Entkörperten,
auf die näher einzugehen mir das Thema für heute verbietet
. Der Verf.
II. Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
Noch einmal Goethe und der Okkultismus.
Von Hofrath ML üeilin^ (Pasing bei München).
(Schluss von Seite 298.)
Ein Problem, das ich in meiner Schrift noch gar nicht
berücksichtigt habe, ist das der Wünschelruthe. Nachdem
dieses „prophetische Reis" schon im zehnten Kap. des
zweiten Buches von „Wilhelm Meistens Wanderjahren" erwähnt
ist, findet sich im vierzehnten Kap. des dritten Buches
eine Stelle, aus welcher hervorgeht, dass Goethe die somnambule
Befähigung des Ruthenträgers als das Wesentliche
der Sache bereits erkannt hat. Diese Stelle, an welcher
eben von der Ruthe gar nicht weiter die Rede ist, lautet:
„Was jedoch weniger allgemein, obgleich unbegreiflich und
wunderseltsam zur Sprache kam, war die gelegentliche Eröffnung
Montan1's, dass ihm bei seinen gebirgischen und bergmännischen
Untersuchungen eine Person zur Seite gehe,
welche ganz wundersame Eigenschaften und einen ganz
eigenen Bezug auf Alles habe, was man Gestein, Mineral,
ja sogar was man überhaupt Element nennen könne. Sie
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0362