http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0385
Die Strahlungafähigkeit des menschlichen Körpers. 375
ohne Weiteres der Meinung Berthelofs beizutreten, der zu
Folge die der Pariser Akademie vorgetragene Ansicht, die
zur Erklärung eines mystischen Wunders führen sollte, selbst
nichts Besseres sei, als eine Mystifikation. Nun wird Niemand,
der die Verhältnisse kennt, auf die Vermuthung kommen,
dass sich unter den Mitarbeitern des grossen wissenschaftlichen
Organs gerade Leute fänden, die einem Wunderglauben
besonders zugänglich wären. Die Sache liegt vielmehr anders
und ist gerade deshalb erwähnenswerth. In England lebt
derjenige Forscher, der die weite Verbreitung der Strahlungsfähigkeit
von Körpern eigentlich erst in ihrem vollen Umfang
aufgedeckt hat. Es war Dr. Bussel, ein Physiker, der seitdem
durch seine Wahl in die Londoner „Royal Society" geehrt
worden ist, hauptsächlich wegen seiner bedeutenden Verdienste
um die Erkundung der Strahlenvorgänge. Rüssel hat
nachgewiesen, dass alle möglichen Körper, wie Holz, Papier,
Druckerschwärze, viele Metalle u. s. w. Strahlen aussenden,
die bei völliger Dunkelheit ein photographisches Bild zu
erzeugen im Stande sind. Warum sollte nun nicht auch der
menschliche Körper dieselbe Fähigkeit besitzen, entweder
nur im Zustand des Lebens oder nur in dem des Todes
oder in beiden?
In der Umhüllung, die der Leiche Christi nach der
üeberlieferung gegeben wurde, kann man sich einen Gegenstand
vorstellen, der in seinen Eigenschaften einer photographischen
Platte oder einem lichtempfindlichen Film glich.
Das Grabtuch war mit Oel und Aloe getränkt. Es ist eine
wohlbekannte Thatsache, dass nichtflüssige Oele gegen die
Einwirkung des Sauerstoffs empfindlich sind und dass Aloe
Bestandteile enthält, die mit der bei der Photographie
benutzten Pyrogailussäure verwandt sind und demgemäss
wahrscheinlich ebenfalls die Eigenschaft haben, durch eine
Einwirkung des Sauerstoffs braun zu werden. Unter Be-
nicksichtigung dieser Umstände wäre die Entstehung eines
scharfen Bildes der Leiche Christi, sogar mit solchen Einzelheiten
wie den durch die Dornen verursachten Wunden oder
den Spuren der Blutstropfen und der durch die Geisselung
veranlassten Striemen nicht ausserhalb des Bereichs der
Möglichkeit. Der Mitarbeiter des „Lancet" schliesst: „Es
ist dies ein äusserst merkwürdiges und interessantes Beispiel
für das Licht, das die neuesten Fortschritte der wissenschaftlichen
Forschung auf alte Ueberlieferungen und vielumstrittene
geschichtliche Fragen zu werfen vermögen. Wir
befinden uns zweifellos einer Keihe neuer Erscheinungen
gegenüber, die bestimmte Anzeichen für das Vorhandensein
bisher unbekannter Strahlungen aus belebten und unbelebten
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0385